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Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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hatten. Als es so weit war, sah er im Wesentlichen genau das, womit er gerechnet hatte. Dünne Streifen staubigen Lichts fielen durch die Ritzen in den Wänden und erhellten ein verwahrlostes, muffiges Zimmer.
    Die Bohlen unter Cams Schuhen knarrten. Er traute sich nicht weiterzugehen, aus Angst, der Fußboden könnte unter ihm einbrechen. Hinter ihm tauchte ein Schatten auf.
    »Na los, nicht so lahmarschig.«
    Cam wagte sich tiefer ins Haus vor.
    »Meine Fresse …« Wieder Gav. »Stinkt das hier …«
    Cam war gar nicht bewusst gewesen, dass er den Atem angehalten hatte. Er ließ die Luft aus seiner Lunge entweichen, atmete ein und fing auf der Stelle an zu würgen. Der Gestank nach Fäulnis war so widerlich, dass es ihn fast umwarf.
    »Gott …«, sagte Gav. »Das stinkt, als wär hier drin jemand krepiert …«
    »Sag doch nicht solche Sachen.«
    Gav sah ihn an, als läge ihm eine spöttische Bemerkung auf der Zunge. Doch Cam konnte sehen, dass es auch seinem Boss langsam unheimlich wurde. Gav schwieg.
    »Sehen wir uns mal um.« Cam war erstaunt, wie entschlossen und mutig er klang. In Wirklichkeit aber hatte es mit Mut nicht das Geringste zu tun. Er wollte die Sache nur so schnell wie möglich hinter sich bringen. Je eher das Haus dem Erdboden gleichgemacht wurde, desto besser.
    Noch immer auf der Hut vor morschen Bodendielen, drang Cam weiter vor. Der Gestank raubte ihm fast den Atem. Auch wenn er es nur ungern zugab, Gav hatte recht. Es roch wirklich so, als wäre jemand gestorben.
    Links führte eine Treppe nach oben. Sie sah noch instabiler aus als der Fußboden, falls so etwas überhaupt möglich war. Geradeaus gelangte man durch einen Türrahmen – eine Tür gab es nicht mehr – ins nächste Zimmer. Als Cam langsam darauf zuging, sah er neben seinen Füßen Schatten davonhuschen. Ratten. Hoffte er zumindest.
    Der nächste Raum war die Küche – oder das, was noch von ihr übrig war. Die Schränke waren leer, die Schranktüren fehlten oder hingen schief in den Angeln. Das Linoleum auf dem Fußboden war rissig, an einigen Stellen fehlte es ganz.
    »Und?«, rief Gav aus dem ersten Raum.
    »Küche«, rief Cam zurück. »Jedenfalls früher mal.« Hinten in der Küche befand sich ein weiterer Durchgang. Cam bewegte sich darauf zu. Hier war die Tür noch intakt, und sie machte einen neueren, solideren Eindruck als der Rest der Einrichtung. Er streckte die Hand aus. Auch der Türgriff schien neu zu sein.
    Mit klopfendem Herzen drückte er die Klinke herunter.
    Plötzlich blitzte hinter ihm ein Licht auf. Er fuhr zusammen, stieß einen Schrei aus und schloss instinktiv die Augen.
    »Das ist ’ne Taschenlampe, du Weichei«, sagte Gav.
    Cam zwang sein klopfendes Herz zur Ruhe. Gav ließ hinter ihm den Strahl seiner Taschenlampe durch den Hauptraum wandern. Die kleinen schwarzen Schatten huschten davon. Er hatte recht gehabt, es waren Ratten. Aber sie waren nicht die einzigen Bewohner. Zwischen den Trümmern des verfallenen Hauses, den Ziegelsteinen, Beton- und Mörtelbrocken, Holzstücken und zerbrochenen Möbeln sah man auch Hinterlassenschaften neueren Datums. Pizzaschachteln. Einwickelpapier von Hamburgern. Zeitungen. Gav inspizierte sie im Licht der Lampe.
    »Sieh dir das mal an«, meinte er. »Das Datum. Von vor zwei Wochen. Ziemlich neu …«
    Das ungute Gefühl, das Cam die ganze Zeit über gehabt hatte, wurde stärker. »Komm, lass uns abhauen, Gav. Hier … hier stimmt irgendwas nicht.«
    Gav zog verächtlich die Brauen zusammen. Er hatte selbst Angst, wollte sich das aber um keinen Preis anmerken lassen. »Schwachsinn, das war bloß irgendein Penner oder so, der hier übernachtet hat. Komm schon.« Er deutete auf die Tür, vor der Cam stehen geblieben war. »Was ist da drin?«
    »Das Klo?«
    »Mach sie auf.«
    Schwitzend drückte Cam die Klinke herunter.
    Dahinter befand sich nicht das Klo, sondern eine weitere Treppe, die in den Keller führte. Die Dunkelheit dort unten saugte das spärliche Licht auf wie ein schwarzes Loch.
    »Gav …«
    Cam ging zur Seite, damit Gav einen Blick nach unten werfen konnte. Als Gav neben ihn trat, schien die Küche auf einmal schrecklich eng. Gav leuchtete mit der Taschenlampe die dunkle Treppe hinunter. Die beiden sahen sich an.
    »Na los, worauf wartest du?«, sagte Gav und befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge.
    Spröde , dachte Cam. Das sind die Steroide. Oder die Angst.
    Er öffnete den Mund, um zu protestieren, wusste aber, dass es zwecklos wäre. Also stützte

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