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Störgröße M

Störgröße M

Titel: Störgröße M Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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gebeugten Haltung die Lungen vollzusaugen. Hitzewellen stiegen in ihm auf, und während er Mühe hatte, ein gepreßtes Stöhnen zu dämpfen, meinte er, Stimmen zu vernehmen. Leise, aber unwiderlegbar, drangen die Stimmen eines Mannes und einer Frau an sein Ohr. Eine Sinnestäuschung, ein technisches Phänomen?
Ursprünglich war der Lingi ein Gerät, das den menschlichen Dolmetscher ablösen sollte. Doch bald bestätigte sich sein vielseitiges Vermögen. Er konnte nicht nur im Verkehr von Mensch zu Mensch, sondern auch zwischen Mensch und Maschine eingesetzt werden. Hier und da war bei hochgezüchteten Codonmodellen der neuesten Generation zu beobachten gewesen, daß die synthetische Intelligenz erst dann Bereitschaft zu Höchstleistungen zeigte, wenn man sie mit dem Lingi als Zusatzgerät versorgte. Das internationale Glossarium von Codonsprechwitzen signalisierte bereits ernst zu nehmende Vorgänge. Wie schwerwiegend man diese Tatsachen von offizieller Seite beurteilte, ließ sich am strikten Kosmosverbot solcher Witze ablesen. Doch auch auf der Erde konnte es einem empfindliche Disziplinarmaßnahmen eintragen, wenn man öffentlich über die Vorliebe der Synthetischen, sich vokal zu artikulieren, witzelte.
»Was ist das?« flüsterte Demperer.
Saul starrte wie gebannt auf das Gerät. »Möglicherweise Spaltung der Codonpersönlichkeit.«
»Aber wodurch«, fragte sich Demperer wie im Selbstgespräch, »soll ein solcher Schock ausgelöst worden sein?«
»Keine Ahnung.«
Demperer fand zu seiner normalen Stimme zurück. »Codonspaltung. Bißchen kühn, was?« Jedoch, was er dachte, war noch kühner, war phantastisch. Was hielt ihn davon ab, es Saul mitzuteilen? Er konnte es als provokante Frotzelei verpacken. Aber es war wohl nicht der Moment für ihren bewährten Ton. Er verfluchte seine Furcht vor Sauls Hohn und den Moment, der ihn dazu berechtigte. Das Phantastische verlangte nach korrekter Erklärung. Alles andere lieferte ihn der Lächerlichkeit aus. Die ganze Basis würde über ihn lachen. Adomeitis würde ihn zur Überprüfung abschieben. Wie schnell war es geschehen, daß einer als nicht mehr raumtauglich befunden wurde.
Mit einer Schulter zuckend, entgegnete Saul: »Die Störung muß sich lange vorbereitet haben. Er hat seinen Zustand genial getarnt.«
»Angenommen, du hättest recht«, sagte Demperer schwerfällig, »dann hat er, von seiner Warte aus betrachtet, logisch gehandelt. Er mußte es ja, zwanghaft handelnd wie ein Kranker, der nicht anders handeln kann, weil ihm jede Möglichkeit zur Einsicht, zur Selbstkontrolle, fehlt, verbergen. Dieser Logik beugte er sich.« Befremdet musterte er den mattgrün schimmernden Kasten des Sondencodon. Er war selbstverständlich mit der Theorie vertraut. Aber wie absurd erschien ihm nun die Vorstellung, so ein Ding könnte menschlicher Verhaltensweisen fähig sein, vielleicht gar krankhafter. »Saul«, sagte er, »wenn ich mich recht erinnere, soll dieser Effekt erst für die nächste Generation relevant werden.«
»Die Ansichten darüber gehen auseinander«, erwiderte Saul, und hilflos rief er: »Was sollte es denn sonst sein?«
Demperer schwieg mutlos, denn es fand sich keine vernünftige und akzeptable Lösung. Vor seinem inneren Auge erschien das Bild eines Felsenstollens, durch den zwei Schemen taumelten. Ein Bild aus der Vergangenheit? Die Silhouette der Schutzanzüge hatte archaische Konturen. Träumte er? Jedoch unerbittlich holte ihn die Wirklichkeit ein und verlangte von ihm die Fähigkeiten, die in ihm geschult worden waren, nichts anderes als nüchternes, analytisches Denken.
Stumm lauschten sie und konzentriert den Stimmen, die aus den Emittoren des Codon drangen. Sie hörten Worte, die sich aneinanderreihten und einen Sinn ergaben, der jenseits menschlichen Vorstellungsvermögens zu liegen schien. Ihre Phantasie machte sich selbständig. Ihr Verstand aber sagte ihnen, ihre Ohren nähmen ein Geschehen wahr. Unbeobachtet entschwand die Chance, das Ganze als Ausgeburt einer krankhaften, synthetischen Intelligenz zu deklarieren.
»Lauretta«, flüsterte Demperer, »das war ihr Name. Natürlich, jetzt weiß ich es wieder. Lauretta und Canabis. Ich habe dir ihre Geschichte erzählt.«
»Laß mich mit deinem Tick zufrieden«, höhnte Saul.
»Aber das sind sie!« rief Demperer.
Saul grölte vor Heiterkeit. »Wie lange ist das her, hundertsiebzig Jahre?«
»Sie haben einen Dreh gefunden, um zu überleben.« »Quatsch.«
»Sie lieben einander. Sie haben das

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