Störgröße M
neolithischer Völkerschaften. Unverkennbar war ein Stilwille. Geschult war er am Ebenmaß der Landschaft und vielleicht an irdischen Erinnerungen. Die Herkunft der Materialien war Gould ein Rätsel.
Durch eine Öffnung in der Zeltwand fiel Licht auf Matten, die offenbar die Funktion des Ruhelagers hatten. An der Wand zwei truhenförmige Behältnisse. Weder Tisch noch Stühle. Aufgereiht an Schnüren Haushaltsgegenstände.
Die Frau bemerkten sie erst, als sie sich in Bewegung setzte. Wendolin stellte sie als seine Gattin vor. Die Bezeichnung hatte in dieser Umgebung und aus seinem Munde einen eigenartigen Klang.
»Ich heiße Metahnel«, sagte sie. »Wird es euch Mühe bereiten, auf dem Fußboden Platz zu nehmen?« Sie lächelte sehr zurückhaltend. Jedoch wirkte sie keineswegs befangen. Ihre Stimme hörte sich weich und dunkel an. Von ihr ging eine Stille aus, daß Gould sich vorzustellen vermochte, dies könnten die einzigen Worte sein, die sie von sich geben würde.
Man ließ sich auf dem Fußboden nieder. Der Tempelwächter erschien mit einem Korb im Arm. Schweigend stellte er vor jeden eine Henkelschale und zog sich zurück.
»Dies ist ein Willkommenstrunk«, erklärte Wendolin. »Das Geschirr und der Malvos sind Kennzeichen eines feierlichen Anlasses.«
Gould betrachtete den bernsteinklaren Inhalt.
»Verzeiht«, äußerte Simak, »wenn wir einen widersprechenden Eindruck gewannen. Eure Leute wirken, nun, wie soll ich es sagen, nicht gerade freudig bewegt.«
Wendolin und seine Frau ergriffen ihre Schalen.
»Trinken wir auf eure Rettung«, sagte Gould. Er kam nicht dahinter, woran ihn das Getränk erinnerte. Es war süß und bitter. Metahnel und Wendolin tranken ohne Erwiderung.
Simak setzte seine Schale ab. »Eure jahrhundertelange Gefangenschaft hat ein Ende. Wir sind gekommen, um euch zu helfen. Ihr werdet die Erde wiedersehen.«
»Die Erde«, sagte Wendolin. »Kogols Nachfahren!« Er musterte seine Gäste peinlich genau, als wollte er Ähnlichkeiten der Söhne mit den Vätern feststellen.
»Kogol ist lange tot«, sagte Simak.
»Und nicht vergessen«, sagte Wendolin.
»Uns ist inzwischen klar, daß er uns ein falsches Bild der damaligen Ereignisse vermittelt hat«, ergänzte Gould.
»Er war ein Verbrecher!« Wie um eine Flut von Worten zurückzudrängen, schloß Metahnel schnell wieder den Mund.
Unmerkbar fast für ihn selbst fuhr Gould zusammen. Ihm wurde deutlich, daß nichts mehr zu beschönigen war. Sie mußten sich den Tatsachen stellen. Sie hatten Kogols Erbe benutzt, und daraus erwuchs die Verpflichtung. Simak äußerte sich nicht.
»Warum seid ihr nicht eher gekommen?« fragte Wendolin.
Simak bewegte in einer vagen Geste die Hand. »Die technischen Möglichkeiten…«
»Die halbe Wahrheit«, sagte Gould gereizt. »Wir müssen ihnen die ganze sagen.«
Ohne Erwiderung sank Simak in seine vorige Haltung zurück und überließ Gould die weitere Führung des Gesprächs.
Gould sparte sich jede entschuldigende Geste. »Wir haben Kogol geglaubt. Er hat uns belogen, und wir haben ihm zweihundertfünfzig Jahre lang geglaubt.« Er berichtete mit knappen Worten die Entwicklung der Umstände aus irdischer Sicht.
Als er fertig war, sagte Wendolin: »Wir haben uns so etwas gedacht. Natürlich konnte er niemandem erzählen, was er unseren Vorfahren angetan hatte. Wir hofften allerdings, er würde überführt werden.«
»Es hat heute wenig Sinn«, sagte Gould, »zu erörtern, was geschehen wäre, wenn. Vielleicht war da eine Chance, Kogol zu überführen, vielleicht nicht. Ich will es auch nicht damit entschuldigen, daß er seine Untat vortrefflich tarnte. Ja«, rief er aus, »seine Autorität verlieh ihm Glaubwürdigkeit, und die Zeit ließ ihn unantastbar werden!« Auch das war nicht die volle Wahrheit. Aber wenigstens dazu wollte er den Mut gehabt haben.
Wendolin lächelte. »Auch unsere Leute leben mit einer Lüge. Sie jedoch brauchen sie, um zu überleben. Wir haben das Bild von der Erde dem Kogols angeglichen. Wir dachten, das würde ihnen die Unmöglichkeit der Rückkehr erleichtern. Damit sie dieses Land, dem sie nicht entrinnen konnten, liebten, haben wir ihre Träume vergiftet.«
Simak sah auf. »Wer ist das, wir?«
»Die jeweiligen Anführer lassen zu ihren Lebzeiten Nachfolger wählen. Aus ihnen besteht der Kreis der Eingeweihten. Zwangsläufig befindet sich unser Wissen über die Erde auf dem Stand von vor zweihundertfünfzig Jahren.«
»Es hat sich viel verändert«, bemerkte Simak. »Nur eins nicht:
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