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Stolperherz

Stolperherz

Titel: Stolperherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Idee auch ganz hervorragend. So weiß man schon, auf was man sich alles freuen kann.« Ich wusste bereits, auf was ich mich alles freuen konnte.
    Und mir war klar: Ab heute war Sanny Tabor Geschichte. Das bisschen Aufmerksamkeit, das ich mir so lange hatte erarbeiten m üssen , nachdem ich endlich wieder regelmäßig zum Unterricht kam – es war verloren. Nun war Kira da. Und ich hatte mich schließlich komplett in Luft aufgelöst.
    Wer zur Hölle war noch mal Sanny Tabor?
    *
    Die erste Pause verlief genau so, wie ich es vorausgesagt hätte, hätte mich irgendjemand gefragt. Kira war sofort umringt von der Hälfte der Klasse und wurde aufgeregt ausgehorcht. Was ich mit Sicherheitsabstand in dem lauten Gerangel um sie mitbekam, war, dass sie ursprünglich aus Schweden kam, ihr Vater Diplomat war und sie nun erst einmal für zwei Jahre in Deutschland leben würden. Trotz dieses Hintergrundes war Kiras Deutsch perfekt, bestimmt war sie bisher auf eine deutsche Schule gegangen.
    »Komm, wir gehen in die Teestube«, forderte Jonas, unser Klassensprecher, Kira auf.
    Kira nickte. »Klar!«
    Die ehemalige Teestube, inzwischen das »Schulsprecherbüro«, war ein heiliger Raum, den nur Klassensprecher oder Schulsprecher und deren engste Clique betreten durften. Normalos oder zunehmend unsichtbar werdende Freaks wie ich hatten keinen Zutritt. Der Raum diente als Besprechungsraum für Unternehmungen, Schulfeiern und andere geheime Dinge, von denen die Normalsterblichen nichts mitbekamen. Früher wurden dort Kaffee, Tee und belegte Brötchen verkauft, aber seit unser Hausmeister mit einem Bandscheibenvorfall ausgefallen war, war der Raum fest in der Hand der Älteren. Jonas war einer der Jüngsten, die sich dort aufhalten durften, überzeugte aber neben seiner nicht üblen Erscheinung durch eine Lässigkeit, die alle schnell beeindruckte.
    Bei der Klassensprecherwahl hatte er mit über neunzig Prozent gewonnen, obwohl ich meine Stimme Luzie gegeben hatte, und ich mir für sie eine reelle Chance zum Sieg ausgemalt hatte.
    In die heiligen Hallen des Schulsprecherbüros hatte ich es während der vier Jahre auf dieser Schule nur ein einziges Mal geschafft und der Grund dafür war mehr als unrühmlich.
    An einem schwülen Spätsommertag hatte mein Kreislauf mal wieder schlappgemacht und ich war kurz vor dem Eingang der Teestube zusammengesunken.
    Ein paar der Älteren hatten mich damals hineingetragen und mich längs auf eine der Bänke entlang der großen Fensterfront gelegt, mit den Beinen hochgelagert auf einigen aufgestapelten Kissen. Erst als ich da lag, platt wie eine Flunder, und die Augen öffnete, konnte ich sehen, dass auch Georg, den alle nur Greg nannten, in dem kleinen Pulk stand, der sich um mich versammelt hatte. Er war der Bassist der Schulband Crystal und so ziemlich der schönste Typ, den ich je gesehen hatte. Grüngraue Augen und auffällig lange Wimpern. Seine etwas längeren dunkelbraunen, leicht gelockten Haare strich er sich immer hinters Ohr, auch in diesem Moment wieder. Ich mochte es, wie er das tat, das Hintersohrstreichen.
    »Alles okay bei dir da unten?«, hatte er mich gefragt, w ährend er sich über mich beugte und ich in dem g rünen Tief seiner Augen versank. Am liebsten hätte ich geantwortet: »Ja, wenn du mich jetzt küsst, dann ist alles in Ordnung. Dann stimmt die Welt wieder. Dann hätte dieser ganze Mist hier wenigstens einen Sinn.«
    Aber Greg küsste mich nicht. Stattdessen strich er sich ein zweites Mal durch die Haare und meinte: »Ich sag deiner Lehrerin Bescheid. Welche Klasse?«
    Ich hatte es nicht fertiggebracht, etwas zu antworten. Lieber wollte ich die Chance, sein Gesicht so nah an meinem zu haben, noch länger auskosten. Und so verlängerte ich meinen Schwächeanfall künstlich um einige Sekunden, um seinen Geruch in mir speichern zu können. Greg duftete nach einer Mischung aus herbem Salz, wie man es vom Meer kennt, wenn es besonders windig ist, und einer leichten Süße, wie sie Honigmelonen haben, die noch nicht ganz reif sind.
    Und eines wusste ich schon damals mit absoluter Sicherheit: Das war der allerschönste Geruch, den ich je eingeatmet hatte.
    Greg war schon zweimal sitzengeblieben und deswegen noch immer in der elften Klasse. Er war nicht unbedingt der Typ, der eine Diskussion an sich riss. Nicht, dass er schüchtern war oder etwas in der Art. Ich war überzeugt, dass der Grund für seine Schweigsamkeit ein ganz anderer war: Desinteresse. Die meisten Dinge

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