Stolz der Kriegerin
Begrüßung setzte der Reisetrupp seinen Weg ungehindert fort. Die Hufe der Pferde klapperten laut auf dem Kopfsteinpflaster der Straßen und Plätze. Nicht lange, da blieb der Marktplatz hinter ihnen zurück, und sie ritten am Tempel vorbei. Dieser besaß eine dreieckige Basis mit einem zwanzig Schritt hohen Turm, um den etliche Gebäude errichtet worden waren. Laisa fand, dass es dringend nötig wäre, Maurerkelle und Pinsel in die Hand zu nehmen, denn die Farbe der Mauern war ausgebleicht und blätterte ab, während darunter bereits der Mörtel aus den Fugen rieselte. Auch das Hauptportal hätte eine Reparatur dringend nötig gehabt.
Bei diesem Anblick erinnerte Laisa sich an ihre Reise durch Maraand und Daschon auf der roten Seite des Stromes. Der letzte Krieg war weder den Völkern im Osten noch denen hier im Westen gut bekommen.
Der Palast war noch stärker heruntergekommen, denn es brachen bereits Ziegel aus den Mauern. Wenigstens wurde noch, wie Ysobel spottete, das Gras im Zwinger gemäht. Auf dem Platz vor dem Hauptgebäude eilten Knechte herbei, um die Pferde der Gäste zu übernehmen, und ein in eine wallende grüne Robe gehüllter Haushofmeister begrüßte sie.
»Darf ich die Herrschaften im Namen Seiner Majestät, König Eldrins, willkommen heißen.«
Laisa wechselte einen beredten Blick mit Ysobel. Immerhin war Eldrin seit mehr als zehn Jahren nicht mehr in seiner Heimat gewesen. Begrüßen konnte der König derzeit nur Leute, die ihn in T’wool aufsuchten. In Urdil schien man jedoch mit aller Macht beweisen zu wollen, dass Eldrin noch immer der Herrscher des Reiches war, mochte er derzeit auch fern und in Gefangenschaft leben.
Der Haushofmeister, der es nicht für nötig erachtet hatte, sich selbst vorzustellen, führte Laisa und deren Begleiter durch die langen Korridore des Palastes und blieb schließlich vor einer Doppelflügeltür stehen, die von zwei Wachen flankiert wurde, deren Kleidung und Rüstung ebenfalls bereits bessere Tage gesehen hatten.
Zwei Diener öffneten die Tür, und Laisa sah einen langen, hohen Saal vor sich, der an drei Seiten große, von dunkelgrünen Vorhängen verhüllte Fenster besaß. Da nur eine einzige Kerze auf einem mannshohen Ständer brannte, herrschte in dem Raum ein Dämmerlicht wie in den Tiefen eines dichten Waldes.
Am anderen Ende des Saales entdeckte Laisa einen mit grünem Tuch verhüllten Thron, und daneben einen Schemel, auf dem ein junger Mann saß. Hinter ihm standen ein weiterer junger Mann sowie eine junge Frau, die Laisa auf etwa achtzehn Jahre schätzte. Ihre Ähnlichkeit mit dem Jüngling neben ihr und die fast gleiche magische Ausstrahlung der beiden ließ Laisa annehmen, dass es sich um Geschwister, wahrscheinlich sogar um Zwillinge handelte. Der sitzende Mann strahlte ein verwandtes, aber doch leicht anderes Grün aus. Auch war er mindestens fünf oder sechs Jahre älter und wirkte arg verbissen.
»Seine Königliche Hoheit, Prinz Klinal, Thronerbe von Urdil, und Ihre Königlichen Hoheiten Elanah und Elandhor , Prinzessin und Prinz von Urdil«, stellte der Haushofmeister die drei vor und nannte den Hoheiten nun auch Laisas Namen und die ihrer Begleiter.
Laisa überlegte, ob eine Verbeugung angebracht war, verzichtete aber darauf, da sie ja als Khatons Vertreterin hier weilte. »Tenelin zum Gruße! Ich stehe hier für den weißen Evari ebenso wie für Rhondh, den Stellvertreter Tenelins in den Dämmerlanden.«
Nun stand Klinal auf. Er war etwas kleiner als sein Bruder und besaß dunkelblonde Haare, während die von Elanah und Elandhor intensiv grün schimmerten. Die Prinzessin trug dazu auch ein grünes Muster im Gesicht, das ihr einen exotischen Reiz verlieh. Obwohl sie unbewegt erscheinen wollte, roch Laisa Angst und tiefsitzende Verzweiflung. Auch Elandhor strahlte diese Gefühle aus, während Klinal eher von Ärger erfüllt zu sein schien.
»Es ist also so weit«, sagte er statt eines Grußes.
»Wenn du die Reise deiner Schwester nach Osten meinst, ja! Mir wurde aufgetragen, sie nach T’wool zu bringen«, antwortete Laisa.
»Ihr, eine Weiße?« Klinal klang verwundert, doch Laisa zuckte mit den Achseln.
»Warum sollte ich mich scheuen, nach T’wool zu gehen? Es ist ja nur ein Menschenland und nicht Giringars Palast!«
»Da es der Wille des Königs ist und der heilige grüne Synod von Edessin Dareh diesen gutheißt, muss ich mich beugen!« Die Stimme des Thronfolgers klang bitter, als er sich zu Elanah umdrehte und sie
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