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Stolz der Kriegerin

Stolz der Kriegerin

Titel: Stolz der Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Melli
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geboren, sondern auch andhirischer als die Andhirer selbst.«
    Das Gesicht Rogons nahm jenen störrischen Zug an, der ihm als Einzigen in der Familie zu eigen war. Rhynn seufzte, denn in diesem Zustand war nicht mehr mit ihm zu reden. Während sie ihn betrachtete, wunderte sie sich darüber, wie sehr sie sich voneinander unterschieden. Während sie selbst der schlanken, hochgewachsenen Mutter nachgeriet, war Rogon für einen Wardan gerade mal von mittlerem Wuchs und damit fast einen Kopf kleiner als sie. Dazu wirkte er für sein Alter eher zurückgeblieben, und sie verstand, dass er vor einer Verlobung oder gar einer Heirat zurückscheute. Doch wenn ihre Sippe auf Dauer von den blauen Königs- und Fürstenhäusern akzeptiert werden wollte, war seine Heirat mit einer jungen Dame aus einer dieser Familien unabdingbar. Ihm dies klarzumachen, fühlte sie sich jedoch nicht in der Lage.
    Stattdessen reichte sie ihm ein Päckchen. »Du hast mich bei meinem letzten Besuch gebeten, dir ein Buch über diese violette Totschlägerin Tirah von Mar zu besorgen. Ich habe etwas im violetten Sechstel von Edessin Dareh gefunden, das dir gefallen könnte. Es ist sogar ein Bild von ihr in dem Buch. Ich frage mich nur, was du an dieser Magierkriegerin findest?«
    »Du hast ein Buch über Tirah?« Ron entriss seiner Schwester das Päckchen und öffnete es hastig. Als er das kunstvoll gemalte Bild auf der Umschlagseite sah, begriff er, dass Rhynn sehr tief in ihren Geldbeutel hatte greifen müssen, um dieses Werk zu erstehen.
    Mit einem Lächeln, das sich völlig von der mürrischen Miene unterschied, die er eben noch zur Schau getragen hatte, bedankte er sich bei ihr. »Es ist wunderschön! Wie lieb von dir, dass du es mir geschenkt hast.«
    »Ich wollte dir eine Freude machen und dich ein wenig über deinen Ärger mit Seranah und den Andhirhexen hinwegtrösten«, antwortete Rhynn, um dann erneut die Frage zu stellen, was er an Tirah so Besonderes fände.
    Rogon blätterte in dem Buch und fand sich erst nach einigen Augenblicken zur Antwort bereit. »Tirah war einst die Erbin von Mar. Doch sie hat auf die Krone zugunsten ihrer Schwester verzichtet, um die große magische Kriegerin der Linirias zu werden.«
    »Das wäre wohl auch dein Traum, was?«, fragte Rhynn in gutmütigem Spott. »Aber wie die Prüfung durch Seranah und ihre Hexen ergeben hat, sind deine magischen Fähigkeiten viel zu gering, als dass sich die Ausbildung lohnte. Außerdem ist da noch das Zeichen der Göttin. Obwohl wir beide Zwillinge sind, bist du noch im alten Jahr geboren und ich erst im neuen.«
    »Ich wollte, es wäre umgekehrt!«
    Rhynn hob im gespielten Entsetzen die Hände. »Ilyna bewahre! Dann würden jetzt statt kichernder Hühner, die sich Prinzessinnen nennen dürfen, herausgeputzte Gecken den Palast überschwemmen, jeder einen halben Kopf kleiner als ich und darauf erpicht, mich als die Seine zu gewinnen, um Prinzgemahl von Andhir werden zu können.«
    Bei dieser Vorstellung musste auch Rogon lachen. Seine Schwester war ein schönes Mädchen und klug wie kaum eine Zweite, hatte aber so gar nichts von einer Wardan an sich. Die Themen, die den jungen Damen wichtig waren, die nun zuhauf den Palast heimsuchten, langweilten sie. Auch bestand die Gefahr, dass ihr mitten in den religiösen Riten und Gebeten, auf die Seranah so viel Wert legte, einfallen konnte, etwas anderes zu erledigen, das ihrer Ansicht nach dringend getan werden musste.
    Man merkte seiner Zwillingsschwester allzu deutlich an, dass sie bei den Großeltern in Edessin Dareh aufgewachsen war. Hannez und Marfa gehörten nicht zu den Leuten, die für den blauen Tempel arbeiteten, sondern waren Händler, die Güter an fernen Orten einkauften und zu anderen Orten bringen ließen. Der Begriff Handelsstadt, den Rhynn für Edessin Dareh verwendete, zeugte vom wachsenden Selbstbewusstsein dieser Kaufleute, die sich schon lange gegen den Herrschaftsanspruch der Priesterschaft zur Wehr setzten und dabei etliche Erfolge aufzuweisen hatten. Da die Handelsherren alle Güter einschließlich der Tempelabgaben in die Heilige Stadt brachten, waren die Priester im Grunde von ihnen abhängig.
    »Also, was ist? Kommst du mit nach unten?«, fragte Rhynn, der Rogons Schweigen zu lange dauerte.
    Ihr Bruder legte das Buch mit einem Ausdruck des Bedauerns weg. »Ich werde der Pflicht gehorchen. Aber nur bis zum Abend! Dann möchte ich in dem Buch lesen.«
    Um Rhynns Lippen zuckte es verdächtig. »Ich glaube nicht,

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