Stolz der Kriegerin
Lanarer darauf ansprach, verzog dieser spöttisch den Mund.
»Die Grünlinge mögen das Land dort gewonnen haben, aber nicht die See. Sobald sie sich am Ufer sehen lassen, jagen wir sie. Ihre Verbündeten im Westen sind nicht stark genug, um uns daran zu hindern, und die Goisen führen keine Kriege für andere Völker.«
Laisa fragte sich, wie die Lage in den eroberten Gebieten aussehen mochte, wenn der Nachschub an Menschen und Gütern aus Thilion und den anderen grünen Reichen ausblieb. Ohne den grünen Wall des Fluches von Rhyallun wäre es T’wool und dessen Verbündeten wahrscheinlich ein Leichtes, die Eindringlinge zu vertreiben. Für ihr Gefühl aber mussten sich die grünen Eroberer mehr oder weniger freiwillig auf ihre eigene Stromseite zurückziehen, wenn es hier je eine Chance auf Frieden geben sollte. Reodhil von Thilion hatte dies eingesehen und ihr zum Abschied erzählt, er wolle in aller Heimlichkeit Boten zu einigen alten Freunden schicken, die sich dort angesiedelt hatten, und sie auffordern, in ihre alte Heimat zu kommen.
Allerdings war das nicht ihr Problem. Daher fragte sie Ysobel, die sich auf dieser Seite des Stromes besser auskannte als sie, zu welchem Reiseweg sie ihr raten würde.
Ihre Freundin zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht! Vor dem Südkrieg hätte ich gesagt, wir fahren den Großen Strom bis zur Mündung des Dreifarbenflusses hoch und folgen diesem bis T’woollion. Doch jetzt gibt es zu viele Freistädte auf dem Weg, und die würden uns nicht ungehindert passieren lassen.«
»Das denke ich auch!« Laisa erinnerte sich daran, wie sie die Freistädter daran gehindert hatte, ihre Macht auch auf Tanfun und Gamindhon auszudehnen. Seitdem gab es dort einige Anführer, denen sie in der Nacht nur mit ausgefahrenen Krallen begegnen sollte.
Um mehr zu erfahren, stieg sie auf die Bordwand und rief zum lanarischen Kapitän hinüber. »Welchen Weg nach T’wool rätst du uns?«
Der Mann warf einen kurzen Blick nach vorne und zeigte auf die kleinen Segler und Galeeren auf dieser Seite des Stromes. »Das sind Flussmäuler und Freistädter, Gesindel, das keiner von uns gerne sieht. Wenn wir über Lhandheralion hinausfahren, werden wir uns den Weg mit dem Schwert bahnen müssen.«
Oder mit Pfeilen, dachte Laisa. Sie wusste jedoch selbst, dass es damit nicht getan sein würde. Die Freistädter würden alles daransetzen, um Elanahs habhaft zu werden. Mit ihr als Geisel konnten sie sowohl die grünen Reiche im Westen wie auch T’wool erpressen.
»Warten wir ab, was uns in Lhandheralion erwartet«, antwortete Laisa und beschloss, erst einmal zu schauen, was ihr von den Vorräten der Lanarer schmecken würde. Mit vollem Magen sah die Angelegenheit wahrscheinlich nicht mehr ganz so düster aus.
☀ ☀ ☀
Lhandheralion war zur Zeit der westlichste Vorposten der tawalischen Reiche. Laisas Informationen zufolge zählte es zum Königreich Vanaraan, das von einem Onkel König Arendhars von T’wool beherrscht wurde. Deswegen hatte sie in diesem Land gerade Straßen und einen sechseckigen Grundriss der Befestigungen erwartet, auch große Gebäude aus Stein und Gärten mit dunklen Bäumen und Blumen sowie schwarzes Obst, das höchstens einen leichten Rot-, Blau- oder Violettstich aufwies. Doch als die Stadt in Sicht kam, ähnelte sie mehr den Freistädten, die weiter nördlich zu finden waren.
Der Palast des Stadthalters war eine mächtige Festung, deren Mauern ihn auch gegen die eigentliche Stadt abschirmten. Die Ringmauer der Stadt selbst nötigte Laisa wenig Achtung ab, denn die hätte sie mit einem einzigen Satz überwinden können. Überreste zeigten jedoch, dass die Mauer früher einmal höher und wehrhafter gewesen sein musste.
»Haben die Leute dort keine Angst, die Grünen könnten kommen und die Stadt erobern?«, fragte Laisa den lanarischen Kapitän.
Dieser schüttelte den Kopf. »Die Grünen haben die Stadt zweimal belagert, sind aber jedes Mal an der Zitadelle gescheitert. Sie würden die Festung auch bei einem weiteren Angriff nicht nehmen können. Dafür ist sie zu stark und zu gut besetzt. Tharon selbst soll sie mit Artefaktwaffen ausgestattet haben.«
»Tharon!« Laisa dachte daran, dass sie bei ihrer Mission auch auf den Wächter des schwarzen Gottes treffen würde. Beim letzten Mal waren sie in Frieden geschieden, doch sie wollte keine Wette abschließen, ob dies auch in Zukunft so bleiben würde. Andererseits interessierte es sie, ob es Tharon gelungen war, mehr
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