Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
spannten sich an und sahen aus, als wollten sie zu den Schwertern greifen. Der alte Chief erholte sich als Erster, und sein Blick wurde hart und ausdruckslos. »Warum ist meine Tochter von Interesse für Euch?«
»Ich bin gekommen, um mit eigenen Augen zu sehen, ob es zutrifft, was man von ihr behauptet.«
Der alte Mann musterte ihn sorgfältig, und Jamie konnte sehen, wie er innerlich damit rang, was das bedeutete. Wenn es ihm auch nicht gefallen mochte, so war der Lamont doch klug genug, um zu erkennen, dass eine Verbindung mit den Campbells – und ganz besonders mit dem Cousin und engen Vertrauten des mächtigsten Campbell von allen – nicht einfach kurzerhand abzuweisen war.
»Und Ihr interessiert Euch für sie?«, fragte der Chief überraschend ruhig, obwohl die Art, wie seine Knöchel, mit denen er den Kelch umklammerte, weiß hervortraten, Jamie sagte, dass er alles andere als ruhig war.
»Vielleicht.« Unverbindlich zuckte er mit den Schultern, erfreut darüber, dass seine List funktioniert hatte. Die Lamonts waren zwar argwöhnisch, was den Grund seines Besuches anging, aber nun waren sie zusätzlich auch noch besorgt und würden einen Teil ihres Augenmerks auf das Mädchen richten.
3
G egen Mittag war zumindest Caitrinas vormaliger Bekleidungszustand wiederhergestellt, wenn auch nicht ihre gute Laune. Sie hatte das Zwischenspiel im Wald, so gut es ging, aus ihren Gedanken verdrängt, aber die Erinnerung an diesen Kuss schien sich dauerhaft in ihr Bewusstsein eingebrannt zu haben und hinterließ in ihr ein Gefühl der Unruhe.
Hastig eilte sie die Treppe zum Saal hinunter, und als sie die Geräusche der Festlichkeiten vernahm, wusste sie, dass sie sich verspätete. Ein Umstand, der ihren Vater sicher verärgern würde. Zweifellos würde er ihr Zuspätkommen als einen weiteren Versuch interpretieren, sich vor ihrer ›Pflicht‹ zu drücken. Es war einfach nicht fair. Sie wurde einer Horde hungriger Geier vorgeführt, und ihre zwei Brüder, ihre zwei älteren Brüder, durften tun und lassen, was sie wollten. Malcolm war beinahe fünf Jahre älter als sie und immer noch nicht verheiratet. Während ihre Brüder mit jedem unpassenden Mädchen auf Bute schäkerten, war sie das ganze vergangene Jahr gezwungen gewesen, sich den unablässigen Strom von Verehrern vom Leib zu halten, die vor den Burgtoren aufmarschiert waren.
Sie wusste, dass ihr Vater glaubte, es sei das Beste für sie, das Thema ihrer Heirat voranzutreiben. Er machte sich Sorgen, dass sie es eines Tages leid sein würde, sich um ihn und ihre Brüder zu kümmern, und dass sie sie zu behütet aufwachsen ließen. Sie hatte Bute noch nie verlassen, außer um ihren Onkel, den Lamont of Toward, zu besuchen. Doch ihr Vater irrte sich. Sie hatte kein Verlangen danach, an den Königshof zu gehen – oder sonst wohin, was das betraf. Alles, was sie wollte, befand sich genau hier.
Sie liebte ihre Familie und hatte nicht die Absicht, Ascog so bald zu verlassen. Und ganz sicher nicht für einen der überheblichen Tölpel, die sie über die Tafel hinweg Abend für Abend lüstern anstarrten, als wäre sie ein Preis, den es zu gewinnen galt, oder für einen der stammelnden Jünglinge, die ihr unsterbliche Liebe schworen, kaum fünf Minuten, nachdem sie sie zum ersten Mal gesehen hatten. Nein, Caitrina war sehr zufrieden, wo sie war. Sie lächelte. Selbst wenn sie jeden Mann in den Highlands abweisen musste, um sicherzugehen, dass es auch so blieb.
Diesmal allerdings hatte sie sich nicht verspätet, weil sie versuchte, ihren Verehrern aus dem Weg zu gehen. Es hatte länger gedauert, als sie gedacht hatte, zu baden und sich zum zweiten Mal an diesem Tag in ihr Kleid helfen zu lassen. Tatsächlich freute sie sich sogar auf das Festmahl. Auch wenn ihr der Hintergedanke ihres Vaters – nämlich einen Ehemann für sie zu finden – nicht gefiel, so war es doch eine Ehre, um nicht zu sagen, aufregend, dass er angeboten hatte, die Spiele auf Ascog abzuhalten. Und sie musste sich auch eingestehen, dass sie eine gewisse Neugier verspürte herauszufinden, wer ihr kühner Krieger war.
Auf dem Treppenabsatz vor dem großen Saal blieb sie stehen, um wieder zu Atem zu kommen, und warf einen verstohlenen Blick hinein. Der große, weitläufige Raum war bis zum Bersten mit den farbenfroh gekleideten Clansleuten gefüllt, die lautstark und mit reichlich vom besten Ale des Lamont die Eröffnung der Spiele feierten. Obwohl die Sonne hell durch die vier Fenster schien,
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