Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
vorwurfsvoll, »da wir ihn nicht besuchen können.«
»Du vergißt aber, Mama«, sagte Elisabeth, »daß wir ihn auf einem von den Bällen treffen werden. Mrs. Long hat versprochen, ihn uns vorzustellen.«
»Mrs. Long wird sich hüten! Sie hat ja selbst zwei Nichten. Mrs. Long ist eine selbstsüchtige und falsche Person, ich habe keine gute Meinung von ihr.«
»Ganz recht, ich auch nicht«, sagte Mr. Bennet. »Ich freue mich, daß du dich nicht auf ihre Gutmütigkeit verlassen willst.«
Seine Frau würdigte ihn keiner Antwort. Aber da nichts zu sagen über ihre Kraft gegangen wäre, fing sie an, eine ihrer Töchter zu schelten:
»Hör um Himmels willen mit deinem Husten auf, Kitty! Nimm doch ein wenig Rücksicht auf meine Nerven — du zerreißt sie mir ja geradezu!«
»Kitty hustet ohne jedes Taktgefühl«, meinte ihr Vater, »sie hustet in einem sehr unpassenden Augenblick.«
»Ich huste nicht zum Vergnügen«, erwiderte Kitty störrisch. »Wann ist denn dein nächster Ball, Lizzy?«
»Morgen in vierzehn Tagen.«
»Richtig«, rief ihre Mutter, »und Mrs. Long kommt erst einen Tag vorher zurück; sie kann ihn euch also gar nicht vorstellen, denn sie wird ihn selbst noch nicht kennen!«
»Dann wirst du, meine Liebe, gegen deine Freundin großmütig sein können und Mr. Bingley ihr vorstellen.«
»Ausgeschlossen, Bennet, ganz ausgeschlossen! Ich kenne ihn ja auch nicht. Warum mußt du mich immer ärgern?«
»Deine Vorsicht macht dir alle Ehre. Eine vierzehntägige Bekanntschaft genügt allerdings kaum, um jemand kennenzulernen; man kann einen Menschen nach so kurzer Zeit noch nicht beurteilen. Aber wenn wir es nicht tun, dann tut es jemand anders; Mrs. Long und ihre Nichten müssen das Risiko eben auf sich nehmen. Wenn du also glaubst, es nicht verantworten zu können — Mrs. Long wird das sicherlich als einen besonderen Beweis deiner Freundschaft anerkennen —, dann will ich es übernehmen.«
Die Mädchen starrten ihren Vater an. Mrs. Bennet sagte bloß: »Unsinn, Unsinn!«
»Was willst du mit deinem ›Unsinn‹ sagen?« fragte Mr. Bennet. »Etwa, daß die Förmlichkeit des Vorstellens und das Gewicht, das man dieser Förmlichkeit beimißt, Unsinn ist? In dem einen Punkt müßte ich dann verschiedener Meinung mit dir sein. Was meinst du dazu, Mary? Du denkst doch, soviel ich weiß, tief über alles nach und liest dicke Bücher und machst dir Notizen und Auszüge.«
Mary hätte für ihr Leben gern etwas sehr Kluges gesagt, aber ihr fiel nichts Passendes ein.
»Während Mary ihre Gedanken ordnet«, fuhr ihr Vater fort, »wollen wir zu Mr. Bingley zurückkehren.«
»Ich kann den Namen nicht mehr hören!« rief seine Frau.
»Das täte mir wirklich sehr leid. Aber warum sagtest du es mir nicht eher? Hätte ich es heute morgen schon gewußt, wäre mein Besuch bei ihm bestimmt unterblieben. Zu schade —, aber nun ist es einmal geschehen, und wir werden uns seiner Bekanntschaft nicht mehr entziehen können.«
Das Erstaunen seiner Familie war so groß und so lebhaft, wie er es sich gewünscht hatte. Mrs. Bennet übertraf auch hierin die anderen, wenn auch nur um ein weniges. Nichtsdestoweniger erklärte sie, nachdem man sich wieder etwas beruhigt hatte, sie habe es sich schon die ganze Zeit gedacht.
»Das war einmal richtig nett von dir. Aber ich wußte ja, daß ich dich würde überreden können. Ich wußte ja, daß du deine Kinder viel zu lieb hast, als daß du eine solche Bekanntschaft vernachlässigt hättest. Wie ich mich freue! Und wie gut dir dein Scherz gelungen ist —, heute morgen bist du schon bei ihm gewesen, und jetzt erzählst du uns erst davon!«
»So, Kitty, jetzt kannst du husten, so viel es dir Spaß macht«, mit diesen Worten verließ Mr. Bennet das Zimmer, offensichtlich ziemlich mitgenommen von dem Begeisterungsausbruch seiner Frau.
»Ihr Mädchen habt einen einzigartigen Vater«, sagte sie, als die Tür sich geschlossen hatte. »Ich weiß nicht, wie ihr ihm je seine Güte werdet danken können — ich übrigens auch nicht. In unserem Alter ist es kein Vergnügen, kann ich euch versichern, täglich neue Bekanntschaften machen zu müssen. Aber für euch tun wir eben alles. Lydia, mein Liebling, du bist zwar sehr jung, aber ich bin fest davon überzeugt, daß Mr. Bingley auf dem nächsten Ball mit dir tanzen wird.«
»Och«, sagte Lydia stolz, »ich hab’ keine Angst. Ich bin wohl die Jüngste, aber auch die Größte von uns.«
Den Rest des Abends verbrachten sie auf das
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