Frühstück um sechs
1
Paul
meinte: »Eine Aussteuer brauchst du überhaupt nicht, nur Shorts, leichte lange Hosen und etwas Zeug zum Reiten, am
besten richtige Reithosen, denn die andern schieben sich hoch. Bloß nicht viele
Kleider, dafür hast du doch keine Verwendung.«
Mutter
machte eine tragische Miene, Vater sah erleichtert aus, aber ich blieb fest.
»Selbstverständlich werde ich eine Aussteuer mitkriegen, wie andere junge
Mädchen auch. Kleider halten doch jahrelang, weshalb soll ich da nicht eine
Menge haben?«
Ich
fand mich ganz vernünftig, aber Paul sah nicht überzeugt aus.
Mutter
war in puncto Hochzeit ziemlich energisch. Ich sei dies und jenes schon meiner
Position schuldig, sagte sie, was ich allerdings nie ganz verstanden habe.
»Wir
werden ihr eine schöne Hochzeit bereiten, schließlich ist sie unsere Älteste.«
»Hochzeiten
werden verflixt teuer, und sie hat noch zwei Schwestern«, warf Vater ein. In
seinen Worten lag ein versteckter Vorwurf, dessen Ungerechtigkeit unsere Mutter
wie mit Fanfaren auf den Plan rief. Sofort gab sie ihm scharf zurück: »Na, wer
wollte denn absolut eine Familie haben, wie?«
Damit
war Vater jedesmal geschlagen. Er zog sich mit düsterer Miene zu einem
Kreuzworträtsel in der Rundfunkzeitung zurück und brummelte, die Frauen
verlören doch bei der Heiraterei jedesmal den Kopf.
Diese
lebhafte Unterhaltung war der natürliche Abschluß eines Ereignisses, von dem
die Mädchen, die mich nicht leiden mochten, immer sagten: »Sie hat sich den
Paul geschnappt«, während die Männer es den >Raub der Susanne< nannten.
Es kam nur auf den Standpunkt an.
Paul,
der den Krieg an der Front mitgemacht hatte, war in unserer Stadt aufgetaucht,
um einen alten Kameraden im Krankenhaus zu besuchen. Auf Zureden von Bekannten
ging er zu einem Ball, wo wir uns kennenlernten. Innerhalb einer Woche waren
wir verlobt, was Mutter freilich ein wenig betrübte. »Meiner Ansicht nach
hättest du es besser haben können«, sagte sie, »denk doch an deine
Schriftstellerei.« Sie sprach über die drei Kurzgeschichten, die ich
geschrieben habe, gewissermaßen immer in großen Buchstaben.
Vater
trieb es noch schlimmer, wenn er mit gewählter Betonung sagte: »Unser kleines
Mädchen schreibselt ein bißchen. Berühmte Schriftstellerin in den
Kinderschuhen.«
Zum
Glück hatte er keine Gelegenheit, das vor Paul zu äußern, denn dafür sorgte ich
schon, indem ich die beiden auseinanderhielt, bis unsere Verlobung gesichert
war. Als die >entsetzliche Wahrheit< zutage kam, nahm Paul sie in
stoischer Ruhe auf, anscheinend kein bißchen beeindruckt. Er erwähnte nur eine
Kusine, die Monologe geschrieben habe und schließlich davon abgekommen sei. »Aber
egal«, konzedierte er großmütig, »wenn sie das will, findet sie bei den
Hinterwäldlern genug Stoff und auch massenhaft Zeit dazu.«
Die
erste Behauptung mag zu Recht bestehen, die zweite hat der Himmel ihm
hoffentlich verziehen.
Unter
vier Augen legte Mutter gern die kummervolle Walze auf. »Nicht, daß ich gegen
Paul das Geringste sagen möchte. Er ist bestimmt ein netter Mensch und sieht
dem Gary Cooper ein bißchen ähnlich, aber er sagt doch selbst, daß er arm ist
und seine Farm halb wild und nur klein, meilenweit im Innern. Stell dir doch
mal vor, was du da alles entbehren mußt.«
»Für
junge Leute die beste Schule«, sagte Vater, indem er sich noch tiefer in seinen
Lehnstuhl versenkte und nach dem Wörterbuch griff. »Gibt’s noch ein anderes
Wort für >Demagoge — Entbehrungen und Strapazen haben noch keinem
Menschen geschadet. Denkt doch bloß an die Pioniere.«
Aber
Mutter war von ihrer Meinung immer schwer abzubringen. »Und für die jüngeren
Schwester ist das nicht gerade vorteilhaft. Die haben dort kaum Aussicht auf
besondere Partien. Du bist doch ziemlich selbstsüchtig, Susan.«
Das
wollte ich auch sein. Paul war genau der Mann, auf den ich gewartet hatte. Ich
war zweiundzwanzig und sehr selbstbewußt.
Als
Paul zur Hochzeit kam, brachte er das Thema Flitterwochen zur Sprache. »Werden
leider nicht lange fortbleiben können. Seitdem ich dich kenne, war ich
reichlich oft in der Stadt: einmal eine Woche und zweimal ein Wochenende.«
Zweimal
in sechs Monaten! Und eine Aussteuer hielt er nicht für nötig? Das schien mir
Grund zum Nachdenken, nahm mir aber nicht den Schwung. Mit meinen 22 Jahren
glaubte ich, die Welt zu kennen — und die Männer. Und das Leben? Oh, das wollte
ich schon meistern!
Natürlich
setzte Mutter ihren Kopf
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