Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
sie es wohl raten könne?
»Nein, ich habe nicht die geringste Ahnung«, war die Antwort. »Aber Sie können sich darauf verlassen, daß er nichts Gutes meint; wir können seine Absicht am ehesten durchkreuzen, indem wir ihn nicht weiter fragen.«
Miss Bingley hätte es aber nicht über sich gebracht, Darcy so zu enttäuschen, und bestand deshalb auf einer Erklärung.
»Ich hatte gar nicht vor, mit meiner Erklärung hinter dem Berg zu halten«, sagte er, sobald sie ihn zu Wort kommen ließ. »Entweder Sie haben sich diese Art, den Abend zu verbringen, ausgesucht, weil Sie als Freundinnen persönliche Dinge zu besprechen wünschen; oder weil Sie wissen, daß Ihre Figuren beim Gehen am besten zur Geltung kommen. Im ersten Fall wäre ich Ihnen ganz und gar im Wege; im zweiten kann ich Sie hier vom Feuer aus viel besser sehen und bewundern.«
»Also, das ist wirklich scheußlich von Ihnen!« rief Caroline aus. »Wie können Sie nur so etwas von uns behaupten! Wie wollen wir ihn jetzt bestrafen?«
»Nichts einfacher als das, wenn Sie es wirklich wollen«, sagte Elisabeth. »Sie sind doch soviel zusammen, und Sie müssen doch wissen, wie man ihn am besten ärgern kann.«
»Aber nein, ich weiß es durchaus nicht. Das hat mich unsere Freundschaft noch nicht gelehrt. Wie sollte man auch eine so gleichmäßige Laune, einen so schlagfertigen Geist necken können! Nein, darin ist er uns wohl überlegen. Und lachen — wir wollen uns lieber nicht lächerlich machen, indem wir ohne Grund lachen. Darcy hätte dann wohl alle Ursache, uns wirklich für töricht zu halten.«
»Über Mr. Darcy soll man nicht lachen können?« rief Elisabeth. »Dann wäre er fürwahr ein seltener Mensch, und ich hoffe, er bleibt so selten, denn ich wüßte mit solchen Bekannten nicht viel anzufangen. Dazu lache ich viel zu gern!«
»Miss Bingley«, sagte Darcy, »hat mich einer Eigenschaft gerühmt, die unmenschlich wäre. Der beste und weiseste Mensch oder vielmehr die beste und weiseste Handlung kann ins Lächerliche verdreht werden, wenn man unbedingt über alles im Leben lachen muß.«
»Allerdings«, erwiderte Elisabeth, »solche Menschen gibt es auch, und ich hoffe sehr, nicht zu ihnen zu gehören. Was weise und gut ist, berührt mich durchaus nicht als komisch. Aber jede Torheit und jeder Unsinn, Launen und kleine Eitelkeiten, das alles amüsiert mich sehr, muß ich gestehen, und darüber lache ich, wo es mir begegnet. Und gerade das alles, nehme ich an, sind Eigenschaften, die Ihnen fehlen.«
»Ganz so vollkommen kann nicht einmal ich sein. Aber ich bin mein Leben lang bestrebt gewesen, alle Schwächen zu vermeiden, die einen der Lächerlichkeit preisgeben können.«
»Eitelkeit und Stolz, zum Beispiel.«
»Ja, Eitelkeit ist eine Schwäche. Aber Stolz — bei einem überlegenen Geist wird Stolz sich immer in Grenzen halten.«
Elisabeth wandte sich ab, um ein Lächeln zu verbergen.
»Damit dürfte Ihre Prüfung Mr. Darcys zu Ende sein«, sagte Caroline. »Und zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen, wenn ich fragen darf?«
»Es ist mir vollständig klar geworden, daß Mr. Darcy fehlerfrei ist. Er gibt es ja selbst ganz offen zu.«
»Sie irren«, sagte Darcy, »ein solcher Anspruch liegt mir ganz fern. Ich habe Fehler genug, aber nicht den, so hoffe ich wenigstens, ohne Einsicht und Verstand zu sein. Für meine Gutmütigkeit möchte ich allerdings nicht die Hand ins Feuer legen. Ich bin sicherlich zu wenig nachsichtig oder doch nicht nachsichtig genug, um nach jedermanns Geschmack zu sein. Ich kann Dummheit und Niedertracht anderer Leute nicht so leicht übersehen, wie ich es vielleicht sollte, und auch ein schlechtes Betragen mir gegenüber nicht. Und schließlich, glaube ich, muß ich mich selbst als empfindlich und nachtragend bezeichnen; ist meine gute Meinung von jemandem dahin, dann gleich für immer.«
»Gut, das ist wirklich ein Fehler!« meinte Elisabeth. »Nachtragend zu sein, ist zweifellos eine häßliche Eigenschaft. Aber Sie haben sich Ihren Fehler gut ausgesucht; über so etwas kann man sich nicht lustig machen. Von mir haben Sie also nichts mehr zu fürchten.«
»Meiner Ansicht nach hat jeder Charakter einen Geburtsfehler, irgendeinen schlechten Trieb, der sich durch keine noch so gute Erziehung ausmerzen läßt.«
»Und Ihr Geburtsfehler ist der, an jedem Menschen zu viel auszusetzen.«
»Und der Ihre ist«, erwiderte er lächelnd, »absichtlich alles mißzuverstehen.«
»Ach, machen wir doch ein wenig Musik«,
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