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Stout, Maria

Stout, Maria

Titel: Stout, Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Soziopath von nebenan
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noch vor seinem dreißigsten Lebensjahr zu einem reichen Mann zu machen. Er
kann seine hochgebildeten Arbeitgeber und seinen milliardenschweren
Schwiegervater wie Trottel aussehen lassen. Er kann diese distinguierten
Zeitgenossen in helle Aufregung versetzen und sich hinter ihrem Rücken über
sie lustig machen. Er beeinflusst erhebliche finanzielle Entscheidungen auf
internationalem Parkett und kann die meisten dieser Transaktionen zu seinen
Gunsten wenden, ohne dass jemand Einspruch erhebt. Oder falls doch jemand
protestiert, kann er diese Person mit einigen wenigen wohlgesetzten Worten
desavouieren. Er kann Menschen Angst einjagen, sie attackieren, einen Arm
brechen, eine Karriere ruinieren; und doch werden seine begüterten Kollegen
eifrig dafür sorgen, dass er nicht wie jeder Normalbürger bestraft wird. Er
glaubt, dass er nach Gusto jede Frau haben und dass er jeden Mann manipulieren
kann, dem er begegnet, wie zuletzt die Beamten der Börsenaufsicht.
    Er ist "Super
Skip". Geschäftliches Taktieren und Bonuszahlungen sind sein einziger
Nervenkitzel, und er hat sein ganzes Leben damit zugebracht, das Spiel besser
zu beherrschen. Für Skip ist das Spiel alles, und wenn er auch zu gerissen ist,
um das auszusprechen, hält er doch den Rest der Menschheit für naiv und dumm,
weil er es nicht so spielt wie er. Und genau das ist es, was der menschlichen
Psyche widerfährt, wenn emotionale Bindungen und das Gewissen fehlen. Das Leben
wird auf einen Wettstreit reduziert, und andere menschliche Wesen werden nur
noch als Spielfiguren angesehen, die man herumschieben, als Deckung benutzen
oder aus dem Spiel werfen kann.
    Natürlich
können nur wenige Menschen in Hinsicht auf seinen Intelligenzquotienten oder
seine attraktive Erscheinung Skip das Wasser reichen. Per definitionem sind die
meisten Menschen, einschließlich der Soziopathen, durchschnittlich in
Intelligenz und Aussehen, und die Spiele durchschnittlicher Soziopathen finden
nicht in derselben exklusiven Liga statt wie Skips globale Partien. Viele
zeitgenössische Psychologen - wie auch ich selbst - können sich daran erinnern,
dem Thema Psychopathie erstmals in einem Lehrfilm begegnet zu sein, den wir als
Studenten in den Siebzigerjahren gesehen haben. Die belanglose Fallstudie in
dem Film handelte vom so genannten "Stamp Man" ("Briefmarkenmann"),
der sein ganzes Leben dem befremdlichen Projekt gewidmet hatte, Briefmarken aus
Postämtern der USA zu stehlen. Er war nicht daran interessiert, die Marken zu
besitzen oder sie zu versilbern; sein einziger Ehrgeiz bestand darin, nächtens
einen simplen Einbruch zu begehen und sich dann in der Nähe des soeben von ihm
beraubten Postamtes ein Plätzchen zu suchen, von dem aus er die Aufregung der
ersten Angestellten, die morgens das Gebäude betraten, beobachten konnte,
gefolgt vom Eintreffen der Polizei unter Sirenengeheul. Dürr, blass und
mausähnlich war der in dem Film interviewte Mann alles andere als
furchteinflößend. Seine Intelligenz war bestenfalls durchschnittlich, und er
hätte niemals Skips grandioses internationales Spiel spielen können, mit seinen
meisterhaften Strategien und milliardenschweren Gegnern. Aber er konnte sein
eigenes Spiel inszenieren, und aus psychologischer Sicht war sein simples Spiel
des Briefmarkendiebstahls Skips Management-Spiel erstaunlich ähnlich.
    Im
Gegensatz zu Skips Manövern waren die von Stamp Man ungeschliffen und
durchsichtig, und so wurde er stets gefasst und eingesperrt. Er war unzählige
Male vor Gericht und dann ins Gefängnis gegangen, und so lebte er sein Leben -
stehlen, beobachten, ins Gefängnis wandern, freikommen und wieder stehlen.
Aber das machte ihm nichts aus, da das Ergebnis seiner Machenschaften ihn
nicht interessierte. Aus seiner Perspektive zählte nur das Spiel an sich,
unwiderlegbar zu beweisen, dass er, der Stamp Man, für vielleicht jeweils eine
Stunde andere Menschen in Panik versetzen konnte.
Für Stamp Man bedeutete die Aufregung, die er stiftete, dass er gewonnen hatte,
und so hat er gezeigt, nicht weniger als der phänomenal reiche Skip, was ein
Soziopath erreichen will. Andere zu beherrschen - zu siegen - ist für ihn
reizvoller als alle anderen Lebenslagen (oder Menschen).
    Vielleicht
die höchste Form der Dominanz über einen anderen Menschen ist es, ihm das Leben
zu nehmen, und der psychopathische Mörder oder kaltblütige Serienkiller ist
das Erste, was vielen von uns bei dem Begriff "soziopathische Störung"
einfällt. Abgesehen von einem

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