Stout, Maria
soziopathischen Herrscher, der eine ganze Nation
vom Kurs abbringt, indem er sie in einen Völkermord oder unnötigen Krieg führt,
ist der psychopathische Killer sicherlich das entsetzlichste Beispiel einer
Psyche ohne Gewissen - das entsetzlichste, aber nicht das häufigste Beispiel.
Mörderische Soziopathen sind sattsam bekannt. Wir lesen in der Zeitung über
sie, hören im Fernsehen von ihnen, sehen sie im Film dargestellt und sind
zutiefst erschüttert zu wissen, dass es in unserer Mitte soziopathische
Ungeheuer gibt, die ohne Gefühl und Reue morden können. Aber entgegen der
populären Meinung sind die meisten Soziopathen keine Mörder, zumindest nicht in
dem Sinne, dass sie mit ihren eigenen beiden Händen töten. Schon die Statistik
zeigt uns das. Ungefähr eine von 25 Personen ist soziopathisch, aber abgesehen
von Gefängnispopulationen oder Banden und anderen von Armut und Krieg
zerrissenen Gruppen ist das Auftreten von Mord in unserer Bevölkerung
dankenswerterweise sehr viel niedriger.
Wenn
Soziopathie und Mordlust sich in einer Person vereinen, ist das Ergebnis ein
dramatischer - gar kinematographischer - Albtraum, eine scheinbar
überlebensgroße Horrorfigur. Aber die meisten Soziopathen sind weder
Massenmörder noch Serienkiller. Sie sind kein Pol Pot oder Ted Bundy. Nein, die
meisten haben Normalmaß wie wir auch und können für lange Zeit unentdeckt
bleiben. Die meisten Menschen ohne Gewissen sind eher wie Skip oder Stamp Man
oder die Mutter, die ihre Kinder instrumentalisiert, oder der Therapeut, der
gezielt hinfällige Patienten entmündigt, oder der manipulative Verführer und
Liebhaber oder der Geschäftspartner, der das Bankkonto plündert und dann verschwindet,
oder die liebe "Freundin", die Menschen ausnutzt, das aber nie
zugeben würde. Die Mittel und Wege, die Soziopathen sich ausdenken, um andere
zu beherrschen - die Machenschaften, die ersonnen werden, um zu "gewinnen"
- sind überaus vielfältig, und nur wenige haben etwas mit physischer Gewalt zu
tun. Letztlich ist Gewalt auffällig, und sofern sie nicht gegen völlig
Wehrlose wie Kinder oder Tiere eingesetzt wird, wird sie wahrscheinlich dazu
führen, dass der Täter gefasst wird.
Jedenfalls
sind brutale Morde - so entsetzlich sie auch sein mögen, wenn sie vorkommen -
kaum die wahrscheinlichste Folge von Gewissenlosigkeit. Nein, es geht um das Spiel. Der Gewinn
rangiert auf einer Skala zwischen Weltherrschaft und einem kostenlosen
Mittagessen, aber das Spiel ist immer dasselbe - beherrschen, Panik auslösen, "gewinnen".
Offenbar ist diese Art des Gewinnens das Einzige, was von
Zwischenmenschlichkeit bleibt, wenn Bindungen und Gewissen fehlen. Wenn der
Wert von Beziehungen auf fast nichts reduziert ist, manifestiert sich Dominanz
manchmal durch Mord. Aber häufiger wird sie ausgelebt, indem Frösche
umgebracht, sexuelle Eroberungen gemacht, Freunde verführt und benutzt, die
chilenischen Kupferminen ausgebeutet oder ein paar Briefmarken gestohlen
werden, nur um Menschen in Panik zu versetzen.
Wissen Soziopathen, dass sie Soziopathen sind?
Verstehen
Soziopathen, was sie sind? Erkennen sie ihren Charakter, zumindest teilweise,
oder könnten sie dieses Buch komplett durchlesen, ohne sich darin zu erkennen?
Bei meiner Arbeit werden mir häufig solche Fragen gestellt, besonders von
Menschen, deren Leben durch Zusammenstöße mit Soziopathen, die sie nicht
rechtzeitig als solche erkannt haben, aus der Bahn geworfen wurde. Ich weiß
nicht genau, warum die Frage der Selbsterkenntnis so wichtig sein könnte, es
sei denn, dass wir uns vielleicht wünschen, dass ein Mensch, der völlig ohne
ein Gewissen durchs Leben kommt, zumindest diese Tatsache einräumen sollte.
Falls ein Mensch schlecht ist, so meinen wir, dann sollte ihn zumindest die Einsicht,
dass er schlecht ist, belasten. Es erscheint uns als Gipfel der
Ungerechtigkeit, dass ein Mensch nach unserer Einschätzung böse und trotzdem
ganz zufrieden mit sich sein könnte.
Wie dem
auch sei - genau das scheint aber zu passieren. Meistenteils scheinen
Menschen, die wir als böse einschätzen würden, nichts Falsches zu entdecken an
ihrer Art, ihr Leben zu führen. Soziopathen sind notorisch dafür, Verantwortung
für ihre Entscheidungen oder deren Folgen abzulehnen. Tatsächlich ist die
Weigerung einer Person, einzuräumen, dass die Folgen ihres verwerflichen
Verhaltens etwas mit ihr selbst zu tun haben könnten -"fortwährende
Verantwortungslosigkeit", wie es die American
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