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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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volle Hose? Bei Krüll stank es nur mehr als bei den anderen. Bis jetzt jedenfalls. Wir werden ja sehen, ob's wirklich anders geworden ist.«
    Erich Wiedeck und Schütze Katzorki, das Rattengesicht, krochen in einem kurzen, neuen Grabenstück herum und verschalten die kleinen Bunker, die alle 50 Meter als Stützpunkt in das Verteidigungssystem eingestreut waren, als Ernst Deutschmann mit eingezogenem Kopf durch den Graben gelaufen kam und sich neben ihnen schweratmend an die hartgefrorene Grabenwand lehnte.
    »Schau mal einer an – wir haben hohen Besuch bekommen«, sagte das Rattengesicht und grinste schief mit seinen schwarzen Zahnstummeln.
    »Ist was los?« fragte Wiedeck.
    Deutschmann zuckte mit den Schultern. »Nichts«, sagte er. »Ich muß warten, bis irgendwas los ist.«
    »Da wirst du nicht lange warten müssen«, sagte das Rattengesicht. Die Bretter für die Bunker hatte man nachts durch den Schnee herangeschleift. Als der Morgen graute, machte man sich daran, die nachts ausgehobenen Bunker zu verschalen. In den Gräben blieb jedoch immer nur ein Drittel der Kompanie, der Rest rückte mit dem anbrechenden Tag ab.
    Ab und zu zuckte die Erde auf und schüttelte die Männer durcheinander. In kurzen Abständen heulte es durch die eisige Luft heran, tiefer und tiefer wurde der Orgelton, so wie ein Brummkreisel kurz vor dem Umfallen. Dann warfen sich die Männer an die Grabenwand, steckten den Kopf in den Schnee und lauschten mit vor Furcht verzerrten Gesichtern auf das Krachen der Einschläge. Zwei-, fünf-, sieben-, zehn-, zwölfmal donnerte es um sie herum, der Luftdruck drückte sie gegen die Erde oder hob sie fast vom Boden, Fontänen von Steinen, Eis und Erde spritzten auf und prasselten auf ihren Rücken. Und zwischendurch hörten sie das helle, surrende Pfeifen der glühenden Splitter, die zischend in den Schnee fuhren.
    »Verdammt nah!« sagte Wiedeck.
    »Hoffentlich kommt's nicht noch näher«, sagte das Rattengesicht. Seine Stimme zitterte.
    Nach dem Ende des Feuerschlages erhoben sie sich und rannten geduckt zu dem nächsten Bunker. Atemlos stolperten sie die Stufen hinab und setzten sich auf die gestapelten Bretter und Grundbohlen. Wiedeck steckte sich eine Zigarette an und gab auch Deutschmann die Packung. Das Rattengesicht rauchte nicht; er betrieb mit den wenigen gefaßten Zigaretten einen schwungvollen Handel um Brot, Butter und Wurst.
    »Wenn das so weitergeht, zerhämmern sie die neue Stellung, noch ehe sie fertig ist«, sagte Wiedeck.
    »Das ist so wie mit dieser blödsinnigen Näherin, die nachts auftrennte, was sie tagsüber genäht hatte«, sagte das Rattengesicht.
    »Nicht ganz«, sagte Deutschmann.
    »Oder wie mit diesem alten Germanen, der einen Stein auf den Berg rollte«, spann das Rattengesicht den Faden weiter.
    »Er war ein korinthischer König und hieß Sisyphus«, sagte Deutschmann.
    »Du hast in der Schule immer gut aufgepaßt«, sagte das Rattengesicht.
    »Man sollte das Grabensystem weiter nach Westen legen.« Deutschmann lehnte sich gegen die kalte Erdwand. Sein unrasiertes Gesicht war noch spitzer und schmaler geworden. Er trug keine Rot-Kreuz-Binde mehr; in Rußland war es nicht üblich, und wenn sie jemand trug, dann hatte das meistens keinen Einfluß auf den Gegner; man beschoß gegenseitig die Sanitäter mit oder ohne Binde. »Was nutzt ein Auffanggraben, der kaum tausend Meter hinter der HKL liegt? Wenn die Offensive rollt, sind die tausend Meter völlig ohne Bedeutung.«
    »Du hättest General werden müssen«, sagte das Rattengesicht. Wiedeck rauchte mit hastigen, tiefen Zügen. Seit der Geburt des Kindes hatte er nichts mehr von seiner Frau gehört. Seine Briefe blieben unbeantwortet, er wußte nicht einmal, ob sie weitergegeben wurden. Man wußte überhaupt nur das, was man sehen konnte. Und außerdem wußten sie alle, daß sie kein Recht hatten: kein Recht auf Postabgang und Postempfang. Kein Recht auf Pakete und Karten. Kein Recht zur üblichen Truppenverpflegung und kein Recht auf Marketenderwaren. Sie waren Ausgestoßene, Verbrecher. Todgeweihte, in grauen, abgetragenen und geflickten Uniformen, deren Arbeitskraft man so lange ausnutzte, bis sie wertlos war. Daran konnte niemand was ändern, auch nicht Oberleutnant Obermeier oder Hauptmann Barth. Obermeier hatte einmal bei Barth angerufen und nach Post gefragt. »Post?« wunderte sich Barth. »Ja, Obermeier, erwarten Sie denn Post?«
    »Ich nicht allein. Meine Männer wissen nicht, was in der Heimat los ist,

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