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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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besonders die Verheirateten sind übel dran.«
    »Die Glücklichen! Sagen Sie Ihren Leuten, daß sie froh sein können, wenn sie nicht wissen, was in der Heimat los ist. So leben sie glücklicher, mein Lieber. Im übrigen geht die Post über das Stammbataillon in Posen. Dort ist ein Major Kratzner Chef des Ersatzhaufens. Ich habe gehört, daß er das goldene Parteiabzeichen besitzt. Zuletzt war er Lehrer an einer Nationalsozialistischen Erziehungsanstalt. Zur Zeit ist es auch in Posen ziemlich kalt. Kratzner wird sich an den Briefen die Hände wärmen, wenn er sie in den Ofen steckt.«
    »Abwarten!« Das war alles, was Wiedeck von Obermeier erfahren konnte. Nach und nach verfiel auch er, ähnlich wie die andern, in eine Art stumpfsinnigen Fatalismus, den nichts mehr erschüttern konnte. Artilleriefeuer? Na denn! Tote? Im Krieg gibt's immer Tote. Arbeit? Bin ich gewohnt. Das Leben? Kotzt mich an. Jetzt sagte er: »Ob tausend oder zehntausend Meter, ist egal. Wir schanzen.«
    »Amen«, sagte das Rattengesicht.
    »Draufgehen werden wir sowieso alle«, sagte Wiedeck.
    »Muß nicht sein«, sagte Deutschmann.
    »Glaubst du?« Wiedeck sah auf und lächelte Deutschmann schief an. »Mensch, glaubst du das wirklich? Frontbewährung? Begnadigung; Schwanecke vielleicht, oder dieser da«, mit dem Kinn zeigte er gegen das Rattengesicht, »diese beiden vielleicht, das sind Kriminelle.«
    »Na, hört mal!« sagte das Rattengesicht.
    »… die werden vielleicht begnadigt, um später einmal aufgehängt zu werden. Ich hab' vielleicht auch eine Chance durchzukommen. Ich bin ja bloß ein blöder Bauer. Aber du, oder der Oberst Bartlitz, oder die anderen Politischen? Die werden begnadigt, wenn sie ins Gras beißen.«
    »Ich komm' bald 'raus«, sagte das Rattengesicht.
    »Niemand kommt 'raus«, sagte Wiedeck.
    »Ich pfeif auf euch Schwarzseher«, sagte das Rattengesicht, stand auf und ging zum Bunkerausgang. »Und ich sage dir, ich komme 'raus. Es wird nicht lange dauern, und ich bin wieder in Berlin. Wetten? Wenn ich bei Kranzler ganz nobel Kaffee trinke, schreibe ich euch eine Postkarte.« Er grinste über die Schulter zurück und kletterte in den Graben.
    »Bei dem glaube ich's am Ende selbst«, sagte Wiedeck.
    Deutschmann sah aus dem Bunker hinaus auf das kleine Stück Schneewall, das im Eingang sichtbar war. Draußen tastete die leichte Artillerie das Feld ab. Streufeuer.
    »Hast du schon einmal deine Frau betrogen?« fragte er zögernd.
    »Was?« Wiedeck sah Deutschmann verblüfft an.
    »Ob du deine Frau betrogen hast?«
    »Komische Frage! Warum sollte ich sie betrügen?«
    »Hast du sie?«
    »Nein.«
    »Nicht mal in Gedanken?«
    »Blödsinn. Wer tut das nicht? Warum fragst du?«
    »Nur so.«
    »Und du?«
    »Bis jetzt nicht mal in Gedanken. Bis vor kurzem.«
    »Mensch – du hast Nerven!«
    »Ich habe sie verraten«, sagte Deutschmann schwer.
    »Verraten? Wieso? Mit wem? Etwa mit einer – Russin? Wo nimmst du eine Russin her?«
    »In Orscha«, sagte Deutschmann.
    »Mensch – gibt's das überhaupt? Ich dachte, das denken sich nur manche aus.«
    »Das gibt es«, sagte Deutschmann. »Sie sagte, ich solle hier bleiben. Sie sagte, ich soll nicht mehr nach Hause gehen, und ich weiß plötzlich nicht mehr, was ich tun würde, wenn – wenn …« Er machte mit der Hand eine hilflose Gebärde, als wüßte er selbst nicht ganz genau, was hinter diesem Wenn stand. Vielleicht: Wenn es plötzlich Frieden gäbe und man bleiben könnte, wo man wollte; wenn er sich über alles selbst im klaren wäre und über seine Sehnsucht, die ihn zugleich zu Julia und zu Tanja; wenn … »Ein Verrat«, sagte er, »ich habe es getan. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß überhaupt nicht, was ich tun soll … Dieses hier, Strafbataillon, Julia, Tanja, die Erinnerung … Ich habe nie sehr gut geschlafen, jetzt kann ich es fast überhaupt nicht mehr.«
    Draußen hämmerten einige Maschinengewehre. Dazwischen hörte man hell die Abschüsse der leichten Minenwerfer und das dumpfe Krepieren der Gewehrgranaten.
    »Es geht wieder los«, sagte Wiedeck. Und: »Wenn du richtig müde bist, wirst du auch schlafen können.« Durch die Luft heulte es hell und kurz auf, und dann krepierten in ihrer Nähe die Granaten der russischen Artillerie. Deutschmann fand sich auf dem Boden liegend, einige Erdbrocken polterten von der Bunkerdecke auf seinen Rücken. Und durch das Sausen und Klingen in seinen Ohren hörte er draußen plötzlich eine menschliche Stimme. Sie kam ihm

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