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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Granatwerfersplitter knapp neben dem Knochen –, machten sie eine Zigarettenpause. Mit ausgestreckten Beinen und zusammengesunkenen Oberkörpern saßen sie eine ganze Weile schweigend auf zwei Kisten und pafften die Tabakwölkchen vor sich hin.
    Dr. Hansen nahm ein paarmal Anlauf, um den älteren, stillen Mann mit dem schmalen, bleichen Gesicht etwas zu fragen, aber seine angeborene Schüchternheit ließ ihn nicht sprechen.
    »Es gibt doch etwas, was Sie wissen möchten, Herr Unterarzt?« half ihm Deutschmann endlich lächelnd.
    »Ja – allerdings – Sie sind doch …«
    »Arzt«, sagte Deutschmann trocken.
    »Ja. Und – wie – wie kommen Sie eigentlich hierher?«
    »Befehlen Sie mir zu antworten?« fragte Deutschmann.
    »Nein – natürlich nicht«, sagte Dr. Hansen verwirrt.
    »Dann lassen wir es dabei, daß ich eben hier bin, Herr Unterarzt.«
    Sie schwiegen.
    »Und jetzt sind Sie – Hilfssani …«, sagte Dr. Hansen schließlich.
    »Ja.«
    »Wenn Sie wollen – ich meine, es wäre bestimmt am besten für uns, für das Lazarett – könnte ich mit Dr. Bergen sprechen und Sie anfordern … Wir haben ganz wunderbar zusammengearbeitet … Was meinen Sie?« sprach Dr. Hansen eifrig und sah dabei Deutschmann fast bittend an. »Sie könnten hier bestimmt mehr leisten als dort vorne … Ich würde mich sehr freuen …«
    »Ich danke Ihnen«, sagte Deutschmann langsam. »Aber ich glaube, es ist besser, wenn ich bleibe, wo ich bin. Seien Sie mir nicht böse. Ich bin kein Chirurg, Kronenberg ist bestimmt anstellig genug – ich denke, daß ich dorthin gehöre …« Mit dem Kinn deutete er gegen das kleine schmutzige Fenster und gegen das entfernte Donnern und Rollen eines plötzlichen Feuerüberfalls der russischen Artillerie. Seine Stimme war bestimmt und trotzig. Er wußte selbst nicht, warum er dieses Angebot ausschlug. Hier, im ›Lazarett‹, hätte er sicher viel mehr Chancen durchzukommen als vorne bei der Truppe. Doch plötzlich erschien ihm das irgendwie gleichgültig. Er fragte sich leicht verwundert, was ihn wohl zu diesem Verzicht getrieben hatte. Es gab nichts, was dagegen sprach. Und trotzdem …
    »Nein, nein, lassen Sie's, es ist wahrscheinlich falsch, was ich tue, aber auch nur bedingt falsch. Da draußen sind meine Kameraden … Aber es ist nicht nur deswegen …«, suchte er nach richtigen Worten, unfähig, sie zu finden.
    »Ich glaube – ich verstehe«, sagte Dr. Hansen nachdenklich.
    »Na, dann ist es ja gut«, lächelte Deutschmann den Jüngeren an. Sie verstanden sich, und Deutschmann wußte plötzlich, daß er hier einen neuen Freund gefunden hatte, auf den er sich verlassen konnte. Er stand auf und begann den ›Operationssaal‹ von Blut und Fleischfetzen zu säubern.
    Draußen im Schnee, am Rande von Barssdowka, stand Schwanecke und sah hinüber zu dem kleinen schwarzen Punkt, der langsam über das Schneefeld kroch, den Wäldern am Horizont entgegen, die bereits in Dämmerung zu versinken begannen: Tartuchin. Der Punkt wurde immer kleiner und verschwand schließlich in einer Senke, als wäre er von der Welt aufgesaugt worden. Schwanecke spuckte aus, drehte sich um und stapfte entschlossen zurück ins Dorf. Es war Zeit, an Aufbruch zu denken.
    Vor dem Bauernhaus, in dem der ›Operationssaal‹ eingerichtet worden war, traf er auf Deutschmann. Er lehnte an der Tür, bleich, mager, abwesend. Sein Mund war fest zusammengekniffen. Obwohl er keinen Mantel trug, schien er die bissige Kälte nicht zu spüren.
    »Es wird Zeit, daß wir abhauen«, sagte Schwanecke.
    Deutschmann nickte, rührte sich aber nicht von der Stelle.
    »Ist was passiert?« fragte Schwanecke.
    »Nein.«
    »Du denkst zuviel, Kumpel«, sagte Schwanecke grinsend, »viel zuviel. Das tut nicht gut. Abschalten, sag ' ich dir!«
    »Drei sind gestorben und zweien mußten wir die Beine amputieren«, sagte Deutschmann.
    Schwanecke hob die Schultern. »Was ist schon dabei? Als wir Orel stürmten, lief einer neben mir, ein Granatsplitter hatte ihm den halben Kopf abgerissen, und er lief neben mir weiter und brüllte ›Hurra‹, Gehirn und Blut spritzten herum, er war schon tot, aber er lief immer noch und brüllte. Dann kippte er um, aus. Wir haben keine Zeit gehabt zum Kotzen. Wir stürmten. Keine Zeit zum Denken. Abschalten, Kumpel!«
    »Kann man das immer?«
    »Ich sag' dir was: Du warst noch nicht an der Front, und deshalb ist dir das nahegegangen, obwohl du ein Arzt bist und so etwas gewöhnt sein müßtest. Aber es ist was

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