Strafzeit
gehabt hätte«, antwortete der Impresario dröhnend und nicht unbedingt pietätvoll. »Hätte ihn sicher nicht von der Bettkante geschubst. Er tauchte dort aber leider nie auf …«
»Weißt du sonst was über ihn?«, mischte sich Hummel ein, der sich leichte Vorwürfe machte. Da hatte er den Kollegen quasi Tag für Tag gesehen, sich aber nie näher für ihn interessiert. Und das Einzige, was er von ihm gewusst hatte, war, dass Mielke in vielen Vereinen aktiv gewesen war. Und dass er dem Vernehmen nach Frauen gegenüber, nun ja …
»Der ist jeder hinterhergestiegen, die nicht bei drei auf den Bäumen war«, dröhnte Burgbacher, der die Dinge im Gegensatz zu Hummel mit größter Deutlichkeit aussprach.
»Eine prima Motivlage für einen Mord …«, murmelte Klaus.
»Aber nicht nur das«, triumphierte Burgbacher. »Frank!«, brüllte er quer durchs Lokal. »Komm mal her!«
Frank war einer der Schauspieler am Theater – ein schlanker Kerl mit großen, hervorstechenden Augen, der sich zunächst noch etwas zierte.
»Ich will hier keineswegs die Rolle der Tratschtante besetzen«, meinte er. »Aber mein Nachbar, der Gerhard, verkehrt doch in denselben dubiosen Kreisen …«
»Dubiose Kreise?«, hakte Klaus nach.
Burgbacher rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. »Der war Spieler«, mampfte er. »Konstanz.«
Frank nickte.
Hubertus staunte, obwohl er nur mit einem Ohr zuhören konnte. Er saß mit dem Rücken zum Nebentisch, wo sich ebenfalls Eishockeyfans über den Sieg gegen Ravensburg sowie den Mord das Maul zerrissen.
Die Nachricht hatte offenbar schnell die Runde gemacht.
»Der Mielke«, meinte einer der Trinker, »guter Mann, seit über zehn Jahren in unserem Fasnetsverein.«
»Guter Mann?«, widersprach sein Tischnachbar. »Das Schwein hat beim letzten Hexenball in der Tonhalle mit meiner Frau rumgemacht.«
»Nicht nur mit deiner«, schaltete sich ein weiterer Gast ein. Mielke schien tatsächlich ein spannenderes Privatleben gehabt zu haben, als die gutbürgerliche Hülle es hätte vermuten lassen.
Hubertus wandte sich wieder Burgbacher und Klaus zu, denn er hatte einen Entschluss gefasst.
»Wir Lehrer sind doch immer die Idioten«, begann er seine Rede. In puncto Monologen konnte er es durchaus mit Burgbacher aufnehmen. »Die Eltern versagen, die Gesellschaft versagt, aber wir sollen’s richten. Klar: Am schlechten Abschneiden in der PISA-Studie haben wir Lehrer ja auch Schuld. Im schlimmsten Fall haben’s dann noch Amok laufende Schüler auf uns abgesehen. Und jetzt wird unsereins schon im Eisstadion umgebracht.«
Er hielt kurz inne und spürte eine Verantwortung in sich wachsen wie einst der Lokalheld Romäus, der der Sage zufolge vor fünfhundert Jahren das Rottweiler Stadttor stibitzt und die fünfundzwanzig Kilometer nach Villingen getragen hatte.
»Ich werde diesen Fall lösen«, verkündete Hubertus derweil nicht mehr ganz nüchtern, dafür aber mit umso mehr Pathos. Und wandte sich an seinen Tischnachbarn: »Klaus, wir wollten doch schon lange mal unser Glück im Casino versuchen. Lass uns morgen nach Konstanz fahren.«
Riesle musste er nicht lange bitten. Der witterte schon eine heiße Story.
»Passt bloß auf euch auf, Jungs«, mahnte Gisela, die gerade mit dem Tablett vorbeikam.
In das Schweigen piepste eine helle Stimme von zwei Tischen weiter: »Hey, Papa, was machst du denn mit deiner Altherrenriege hier?«
Martina, die Tochter von Hubertus und Elke, prostete ihrem Vater mit einem Glas Weißweinschorle zu.
Auch das noch!
Hubertus grinste etwas gequält und wandte dann den Blick wieder in Richtung seiner Trinkkumpane.
»Nicht mal in seiner Stammkneipe bleibt man unbehelligt«, fauchte er, während er bei Gisela per Blick eine Runde bestellte. Dass Martina offenbar einige der von ihm gestifteten Euro in seinem Stammlokal umsetzte, ging ihm gewaltig gegen den Strich.
»Der Trinkerapfel fällt nicht weit vom Stamm«, zog Edelbert Hubertus auf.
»Ganz ruhig, Alter«, beruhigte ihn Klaus. »Du warst doch auch mal jung, oder?«
»Ich bin aber nicht ins selbe Lokal wie mein Vater gegangen«, grollte Hubertus.
Im Bistro hatte er sein erstes Bier getrunken. Hier fühlte er sich an seine Jugendzeit erinnert, an die wilden Siebziger, als man Schlaghosen trug und der Gang zum Friseur verpönt war. Und hier hatte er Elke zum ersten Mal geküsst. Wie ein Jungbrunnen wirkten die Kneipenbesuche mit alten Freunden auf ihn.
Und jetzt tauchte hier Martina mit ihren Bubis auf …
Noch
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