Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Straub, Peter

Straub, Peter

Titel: Straub, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fremde Frau
Vom Netzwerk:
sage, was mir in den Sinn kommt.
    »Wie ist es dir ergangen? «
    Sie sperrt den Mund auf. Meine Unempfänglichkeit – jetzt als Freundlichkeit maskiert – ist größer als sie erwartet hat. Sie senkt den Kopf und zwingt mich, noch einmal anzufangen.
    »Ich möchte, dass wir gut zueinander sind. Freunde. «
    »Hast du deshalb nicht … oh, vergiß es. Ich kann nicht mit dir streiten. «
    Sie kann nicht mit mir streiten! Mein Triumph ist sinnb e täubend. Ich bin unwiderstehlich.
    »Ich bin froh, dich heute Abend hier zu sehen. « Auch das ignoriert sie.
    »Du hättest mal anrufen können, weißt du. « Als sie das sagt, verändert sich die Farbe ihres Gesichts vom feuerfla c kernden Orange zu einem dunkleren Farbton: Verlegenheit. Sie hatte das nicht sagen wollen. Ihr gerötetes Gesicht, von der Farbe eines saftigen, reifen Pfirsichs, dreht sich verstockt dem Feuer zu. Sie macht den blauen Nylonparka zu und schmollt anfänglich, als der Reißverschluss ihr nicht gehorchen will.
    »Du bist egoistisch «, sagt sie. Ihre Stimme ist fatal und klar. Von oberhalb des Ufers hören wir eine näherkommende Pol i zeisirene heulen, vom Wind am See schrill verzerrt.

3
     
    Unser kleines Auto schneidet durch Seen aus Licht, welches zwischen den Bögen der Bäume über uns herniederstrahlt. Des körperlichen Vergnügens wegen schalte ich vor der Kurve herunter und beschleunige wieder, als wir sie hinter uns haben. Das Auto, gewöhnlicherweise ein mürrischer Feind, der an Tankstellen Pfundnoten frisst und sich meinem gefühllosen Berühren widersetzt, wenn ich einparken möchte, fügt sich willig meinen Gesten. O Auto, denke ich, endlich stehst du einmal auf meiner Seite.
    Auf dem Nebensitz regt sich meine Frau unruhig. Sie möc h te meine aufgekommene Hochstimmung dämpfen. »Owen, bring uns rechtzeitig hin, aber bring uns dabei nicht um. Das ist Mr. Franciscus nicht wert. «
    »Keine Bange «, sage ich. »Ich werde mich für June Naftalin retten. Außerdem kenne ich diese Straße verdammt gut. Ich fahre manchmal tagsüber hier heraus, nur um mir einen Baum anzusehen. «
    »Das könntest du auch im Regent ’ s Park tun «, sagt sie.
    Wir fahren nach London zurück, nachdem wir den Tag in Eping Forest verbracht haben. Mr. Franciscus ist der ehemal i ge Englischdozent meiner Frau, eine Blume von Harvards a l tem Baum und inzwischen ein pensionierter Junggeselle Mitte siebzig. Er hat uns geschrieben, dass er England zum letzten Mal › abklappert ‹ . Hinter uns ertönt das an - und abschwellende Heulen eines britischen Krankenwagens, und ich fahre an den Straßenrand.
    »Wenigstens kann man dich so dazu bringen, langsamer zu fahren. Aber da du so gehobener Stimmung bist, warum June Naftalin? «
    »Im Gegensatz zu …«
    »Im Gegensatz zu Sheila Goldsmith, natürlich. Bei Mark und Junes Party hast du sie umschwirrt wie ein H ar emeunuch. Als du betrunken warst, hast du ihr erzählt, sie sollte Tänzerin werden, weil sie Cyd Charisses Beine hat. › Ganz genau ihre Beine. ‹ Sie grinst.
    Wie peinlich das alles ist! Wenn ich betrunken bin, rede ich immer solchen Unsinn in Gegenwart attraktiver Frauen; Sheila Goldsmiths Beine sind auf laszive Weise schlank, erst direkt am Saum ihres kurzen Rocks werden sie dicker, aber vol l kommen prall und rund. Ich denke benommen an Sheila Goldsmiths perfekte Fesseln. Der Krankenwagen rast heulend an uns vorbei.
    (Seltsamerweise begann Sheila aber ihren magischen Za u ber zu verlieren, als Abe Gabriel das tat, was ich mir insg e heim wünschte – als würde seine Berührung sie entweihen. Manche Männer haben diese Fähigkeit, die Frauen, die auf sie ansprechen, auf drastische Weise zu entweihen.)
     
    Um achtzehn Uhr dreißig sind wir wieder in London und tre f fen uns mit Mr. Franciscus im Bloomsbury Hotel. Seit 1921, sagt er uns, ist er sechzehnmal hier abgestiegen. »Immer noch alles beim alten «, sagte er, »kein Eiswürfel aufzutreiben, keine Heizung in den Schlafzimmern. «
    »Warum «, sagt meine Frau, die sich wohl bewusst ist, dass sie nach dem Köder schnappt, »kommen Sie dann immer wi e der hierher? «
    »Ich weiß auch nicht. Die Preise steigen ständig. 1930 übernachtete ich für ganze drei Dollar hier, Frühstück inklus i ve. Heute ist es so teuer, dass man es nicht mehr laut ausz u sprechen wagt. 1921, als ich gerade in Harvard graduiert hatte, kam ich hierher und stellte fest, dass mir das hübscheste Mä d chen in England das Frühstück brachte. Sie hatte volles bra u

Weitere Kostenlose Bücher