Streit Ist Auch Keine Loesung
aus:
Entsprechend dem modernen Liebesideal der romantischen Liebe bilden wir uns also ein, uns in der Liebe ganz unabhängig vom Elternhaus ausschließlich als zwei Individuen zu begegnen. In Wahrheit sind aber sogar in den intimsten Momenten eines Paares – also im Bett – im übertragenen Sinne immer auch seine und ihre Eltern anwesend.
Dieses Modell vereinfacht jedoch immer noch die Wirklichkeit. Denn es kommen ja noch viele andere Menschen hinzu, die uns früher ebenfalls nahe standen, Bezugspersonen wie Geschwister, Onkel, Tanten, Großeltern. Gerade Großeltern sind manchmal ja besonders wichtige Ansprechpartner – vor allem für Kinder, die mit ihren eigenen Eltern Probleme haben. Großeltern dienen dann in vielen Fällen als sicherer Hafen, sind als aufmerksame Zuhörer da und geben Kindern den Schutz und die Geborgenheit, die sie brauchen. Und doch beeinflussen Sie in der Regel unseren späteren Lebensstil, unsere Skripte deutlich weniger.
Eine wichtige Bindungserfahrung möchte ich noch ergänzen. Denn zusätzlich zu den beiden Bindungen, die wir selbst als Kind eingegangen sind, haben wir auch die Bindung unserer Eltern aneinander verinnerlicht. Es ist zumeist die einzige Partnerschaft, die wir aus allernächster Nähe miterleben konnten. Wie aber war diese Bindung? War sie liebevoll und zugewandt? War Sie fürsorglich und von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt geprägt? War es eine gleichberechtigte Beziehung, in der beide Partner etwas zu sagen hatten? Oder war sie von Lieblosigkeit geprägt, von Verachtung, von Mangel an Respekt und von einer bleiernen Sprachlosigkeit, bei der die Eltern kein gutes Wort mehr füreinander übrig hatten?
Einerlei, wie das Verhältnis der Eltern zueinander im Detail aussah, immer hinterlässt die elterliche Partnerschaft tiefe Spuren in unserer Seele. Sie hat sich in Ihrem Gefühlsleben eingegraben. Und sie hat Ihren Partner oder Ihre Partnerin geprägt. Bildlich dargestellt sieht unser Beziehungsmodell jetzt also so aus:
Ganz schön unübersichtlich, nicht wahr? Es sind also insgesamt drei sehr enge Bindungserfahrungen, die wir aus dem Elternhaus in die Welt hinaustragen und die ihre Wirkung entfalten, wenn wir eine Partnerschaft eingehen.
Was können Sie tun?
Der andere ist, wie er ist! Im Laufe der Jahre lernen wir ihn permanent besser kennen. Unser Bild von ihm wird schärfer, detailreicher und umfangreicher. Aber es wird nie komplett! Und immer wieder stellt sich die Frage: Können wir diesen Menschen lieben – so wie er ist? Positive Gedankenüber ihn, über seine Vergangenheit, über seine Wege und Irrwege, positive Gedanken über alles, was ihn zu dem Menschen hat werden lassen, der er heute ist – die brauchen Sie, wenn Sie dauerhaft in einer glücklichen Beziehung leben wollen.
„Aber ich kann mir meinen Partner doch nicht einfach schönreden wie damals, als ich noch verliebt war und auf Wolke sieben schwebte!“ Aber warum denn nicht? Kennen Sie das arabische Sprichwort „Vor der Ehe: Augen auf. In der Ehe: Augen halb geschlossen.“? Ein großer Teil unseres Erfolges in der Liebe hängt davon ab, dass wir die Fehler und Schwächen des Partners, die mit der Zeit immer deutlicher werden, mit Milde und Gelassenheit anschauen. Dabei geht es nicht darum, die Wirklichkeit zu verkennen. Wir sollen nicht einen glibberigen Frosch zum Märchenprinzen verklären. Ein solch unrealistisches Bild vom Partner führt zu keiner stabilen Beziehung. Oder um es noch einmal mithilfe des arabischen Sprichwortes zu erklären: Sie sollen die Augen vor der Wirklichkeit ja nicht verschließen. Aber pflegen Sie den liebenden Blick auf Ihren Partner.
Halten Sie außerdem die Neugier auf den anderen lebendig! Lernen Sie ihn kennen. Interessieren Sie sich dafür, wie er genau der Mensch geworden ist, der er ist. Sprechen Sie immer wieder einmal darüber. Seien Sie auch neugierig, mehr über die Erbschaft zu erfahren, die in seinen Bindungserfahrungen verborgen liegt.
Hadern Sie nicht mit abweichenden Eigenschaften Ihres Partners. Machen Sie sich stattdessen klar: Viele Gegensätze in einer Partnerschaft haben einen tieferen Sinn. Diesen Sinn sollten Sie sich bewusst machen. Der andere ist nicht einfach nur anders, Sie selbst haben ihn sich ja ausgesucht. Welche Motive stecken wohl hinter dieser Wahl?
Sie haben sich Ihren Partner ausgewählt, weil er anders ist.
Warum wählt etwa eine sehr arbeitsame Frau, die sich selbst wenig gönnt, keinen ihr ähnlichen
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