Streit Ist Auch Keine Loesung
Gesetzt den Fall, dunkle Wolken kündigen schwere See an und der Kapitän will mit seinem Schiff, so schnell es geht, in den nächsten Hafen. Und aufgrund der Eile und der direkten Route läuft sein Schiff auf felsige Klippen. Was tun? Umdrehen? Es auf einem anderen Weg versuchen? Oder noch einmal in die gleiche Richtung? Der Kapitän entscheidet sich, wie die allermeisten Paare, für folgendes Vorgehen: Er versucht es einfach noch einmal, diesmal aber mit höherem Tempo. Er setzt zunächst zurück und gibt dann den Befehl: „Volle Fahrt voraus!” Und nun fährt das Schiff mit noch größerer Wucht auf die unter Wasser liegenden Felsen. Das Ergebnis ist eine Katastrophe. Statt einiger Schrammen, wie beim ersten Mal, erleidet das Schiff jetzt größeren Schaden. Der Schiffsrumpf reißt auf, Wasser dringt in den Maschinenraum ein. Das Schiff liegt manövrierunfähig fest. Und die dunklen Wolken stehen drohend über dem Schiff – der Orkan bricht los.
So ähnlich geht es eben auch in einer Partnerschaft. Die schlechte Stimmung in der Beziehung verleitet viele Paare dazu, sich auf einen ganz bestimmten Weg zu begeben: Sie wollen ihre Probleme lösen – und zwar so schnell wie möglich. Darauf richten sie ihre ganze Energie. Misslingt das Vorhaben, vergrößern sie ihre Anstrengungen – und scheitern gerade deshalb. „Volle Kraft voraus!“, das ist auch in der Partnerschaft die falsche Lösung, wenn der Weg falsch ist.
Wer von Seefahrt etwas versteht, mag an dieser Stelle möglicherweise einwenden, dass das von mir beschriebene Gedankenspiel völlig unrealistisch ist. Um in einen Hafen einzulaufen, werden überall auf der Welt Lotsen eingesetzt, die die Gewässer sehr genau kennen und ein Schiff sicher in den Hafen führen.
Ihr Einwand ist berechtigt. Auch für Partnerschaften gibt es solche Lotsen. Die wichtigsten sind unsere Freunde. Sie erfahren in der Regel als Allererste davon, wenn dunkle Wolken unsere Partnerschaft bedrohen. Doch was passiert dann? Welchen Rat geben Freunde, wenn sie erfahren haben, dass wir Probleme miteinander haben? Sie raten dazu, diese Probleme unbedingt zu lösen. Bildlich gesprochen raten sie dazu, es mit größerer Geschwindigkeit noch einmal zu versuchen.
Andere Lotsen, wie etwa Paarberater und -therapeuten, machen es in vielen Fällen leider nicht anders. Auch sie richten ihre Aufmerksamkeit vor allem auf die Schwierigkeiten eines Paares. Das ist auch verständlich, denn die Probleme und Schwierigkeiten, die sie miteinander haben, führen ein Paar oder auch nur einen der beiden in die Beratung. „Was können wir tun?“, fragen die Betroffenen Hilfe suchend, und der Berater oder die Beraterin bemühen sich darum, eine Lösung zu finden. Auch sie kommen deshalb sehr leicht ins falsche Fahrwasser. Und das Paar scheitert.
Das Positive stärken
Wir haben schon im Kapitel „Ist Streit grundsätzlich schädlich für eine Partnerschaft?“ gesehen, wie außerordentlich wichtig das Positive für eine Partnerschaft ist. Die positive Zuwendungzum anderen. Alles, was die Zusammengehörigkeit stärkt. Überwiegt das Positive das Negative bei Weitem – Sie erinnern sich, John Gottman spricht von einem Verhältnis von fünf zu eins –, dann hat der Virus der Trennung keine Chance, ganz gleich, wie oft und wie viel Paare streiten. Bekommt aber das Negative die Oberhand, ist eine Beziehung nicht mehr zu halten, egal, was Paare dann tun. Partnerschaften scheitern eben nicht an den Problemen und Schwierigkeiten, sondern daran, dass das Gute zwischen den Partnern immer weniger wird und in manchen Fällen sogar gänzlich versiegt.
Nun könnten Sie sagen, dass es doch nicht angeht, die Augen vor dem zu verschließen, was in Ihrer Beziehung nicht gut läuft, nur damit es weitergeht. Sie haben natürlich recht. Wir müssen uns in einer Partnerschaft auch den schwierigeren Seiten stellen. Wir müssen die Augen offen halten für das, was nicht stimmt. Aber wir dürfen darüber niemals vergessen, auch das Gute zu registrieren, es bewusst wahrzunehmen. Dazu sollten wir eine Tugend kultivieren, die heute ziemlich aus der Mode gekommen ist – die Dankbarkeit.
Die Kraft der Dankbarkeit
Dankbarkeit für das, was wir haben, das ist nach der Lage der psychologischen Forschung ein wichtiger Schlüssel zu einem glücklichen und zufriedenen Leben. Wer immer nur auf das schaut, was er gerade nicht bekommt, der verpasst dabei all das, was er bereits erhält. Amerikanische Wissenschaftler haben das in
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