Stufen: Ausgewählte Gedichte
Niedergang
Durch Zeichenspiel, durch Gleichnis und Gesang
Fortzubewahren heiliger Ehrfurcht Mahnung.
Vielleicht, daß einst das Dunkel sich verliert,
Vielleicht, daß einmal sich die Zeiten wenden,
Daß Sonne wieder uns als Gott regiert
Und Opfergaben nimmt von unsern Händen.
S EIFENBLASEN
Es destilliert aus Studien und Gedanken
Vielvieler Jahre spät ein alter Mann
Sein Alterswerk, in dessen krause Ranken
Er spielend manche süße Weisheit spann.
Hinstürmt voll Glut ein eifriger Student,
Der sich in Büchereien und Archiven
Viel umgetan und den der Ehrgeiz brennt,
Ein Jugendwerk voll genialischer Tiefen.
Es sitzt und bläst ein Knabe in den Halm,
Er füllt mit Atem farbige Seifenblasen,
Und jede prunkt und lobpreist wie ein Psalm,
All seine Seele gibt er hin im Blasen.
Und alle drei, Greis, Knabe und Student
Erschaffen aus dem Maya-Schaum der Welten
Zaubrische Träume, die an sich nichts gelten,
In welchen aber lächelnd sich erkennt
Das ewige Licht, und freudiger entbrennt.
D AS G LASPERLENSPIEL
Musik des Weltalls und Musik der Meister
Sind wir bereit in Ehrfurcht anzuhören,
Zu reiner Feier die verehrten Geister
Begnadeter Zeiten zu beschwören.
Wir lassen vom Geheimnis uns erheben
Der magischen Formelschrift, in deren Bahn
Das Uferlose, Stürmende, das Leben
Zu klaren Gleichnissen gerann.
Sternbildern gleich ertönen sie kristallen,
In ihrem Dienst ward unserm Leben Sinn,
Und keiner kann aus ihren Kreisen fallen
Als nach der heiligen Mitte hin.
C HINESISCH
Mondlicht aus opalener Wolkenlücke
Zählt die spitzen Bambusschatten peinlich,
Malt der hohen Katzenbuckelbrücke
Spiegelbild aufs Wasser rund und reinlich.
Bilder sind es, die wir zärtlich lieben,
Auf der Welt und Nacht lichtlosem Grunde
Zaubrisch schwimmend, zaubrisch hingeschrieben,
Ausgelöscht schon von der nächsten Stunde.
Unterm Maulbeerbaum der trunkene Dichter,
Der den Pinsel wie den Becher meistert,
Schreibt der Mondnacht, die ihn hold begeistert,
Wehende Schatten auf und sanfte Lichter.
Seine raschen Pinselzüge schreiben
Mond und Wolken hin und all die Dinge,
Die dem Trunkenen vorübertreiben,
Daß er sie, die flüchtigen, besinge,
Daß er sie, der Zärtliche, erlebe,
Daß er ihnen Geist und Dauer gebe.
Und sie werden unvergänglich bleiben.
In einem alten Tessiner Park
G ARTENSAAL
Hier haben ihre Frauen sich gefächert
Beim Sommerfest im roten Gartensaale,
Hier haben sie getafelt und gebechert
Und Arien gesummt aus Don Pasquale.
Hier tanzten sie, gutmütige Despoten,
Bauherren zu den Zeiten Bonapartes,
Sagten den bunten Damen etwas Zartes
Und brüllten unter sich bei Wein und Zoten.
Wir haben ihre Enkel noch gekannt,
Man zog im Dorf den Hut vor den Signoren,
Doch war der Glanz dahin, das Gut verloren,
Haus, Land und Gärten stehen nun zur Gant.
Die Tore klaffen, die vom Neid umschlichenen.
Vergraste Wege laden jeden ein,
Hier zu lustwandeln und bei der verblichenen
Patrizierpracht ein wenig Gast zu sein.
Es scheinen leck die Dächer, feucht die Mauern,
Ihr Schmuck von Moos und Efeu grünt verführend,
Verderb und Öde in den Fenstern lauern,
Was einst so herrisch schön war, scheint jetzt rührend,
Und Fledermäuse flattern durch die Räume.
Doch ragen tröstlich, höher als vor Zeiten,
Im ungepflegten Park die edlen Bäume,
Ihr Mitleid über den Verfall zu breiten.
D URCHBLICK INS S EETAL
Zwischen grau behaarten Fichtenzweigen,
Zwischen roten rauhen Kiefernästen,
Blauen Zedern, die sich würdig neigen,
Zwischen Lindenstämmen mit den Resten
Gelben Laubes sinkt der Blick hinunter,
Berghinab durch klamme Perspektiven,
In des Seetals freundlich-ferne Tiefen.
Sanft scheint alles dort und dennoch bunter,
Glasig schwebt der See, der licht umsäumte,
Dörfer lächeln hell mit sonnigen Dächern,
Felder wie von Malergeist geträumte
Farbenfolgen breiten sich in Fächern.
Selig scheint dies Tal und ohne Schatten,
Fest zugleich und luftig gleich Kristallen,
Festlich ordnen Dörfer, Haine, Matten
Sich ins Bild, es scheint um Wohlgefallen,
Scheint um Schönheit einzig hier zu gehen,
Um den Reigen bunt getönter Lichter:
Spielzeug einem Maler oder Dichter,
Scheint die Welt aus Licht nur zu bestehen,
Das sich selbst erlebt, sich selbst gestaltet.
Uns bezaubern Bühne und Kulissen,
Und wir weigern uns, vom Leid zu wissen,
Das auch diese holde Welt durchwaltet.
R OTER P AVILLON
Roter Pavillon, im Park verborgen,
Wo er sich in wilden Wald verliert,
Als du noch in deinem jungen Morgen
Lachtest, wie hast du den Park geziert!
Hast auf der
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