Sturm: Roman (German Edition)
Schädel, schien seinen Blick spöttisch zu erwidern. Diese Maske war einfach hässlich und ekelhaft, und er fragte sich, was ein junges Mädchen dazu bewog, sie sich direkt gegenüber ihrem Bett aufzuhängen.
»Ich finde, das ist kein schlechtes Stichwort«, sagte er schließlich.
»Welches?«
»Das war's dann«, antwortete Dirk schroff. »Damit haben Sie nämlich vollkommen recht. Ich brauche niemanden, der im Privatleben meiner Tochter herumschnüffelt.« Weil ich das schon ganz alleine tue, wisperte eine böse Stimme in seinem Kopf.
»Weil Sie glauben, dass ihr Verschwinden nichts mit ihr selbst zu tun hat?«, fragte Biermann. »Diese These ist natürlich vollkommen berechtigt. Aber es wäre etwas leichtsinnig, alle anderen Thesen von vornherein auszugrenzen, oder?«
»Das habe ich nicht vor, du Blödmann!«, hätte Dirk am liebsten geschrien. Aber natürlich tat er das nicht. Biermann hatte recht. Er glaubte selbst kaum noch, dass seine Tochter das Opfer einer zufälligen, aber schrecklich endgültigen Begegnung mit einem Gewalttäter geworden war.
»Es könnte doch sein«, sagte Biermann vorsichtig, »dass zwischen dem Verschwinden Ihrer Tochter und dem Ihrer Frau ein Zusammenhang besteht, oder?«
Dirk zog Akuyis Schreibtischstuhl heran und ließ sich mit wackligen Knien darauf nieder. Natürlich konnte das sein. Es war genau das, was er insgeheim befürchtete.
»Und wenn das so wäre«, fuhr Biermann ungerührt fort, »dann habe ich vielleicht etwas für Sie. Allerdings etwas, das uns unter einen gewissen Zeitdruck setzt.«
»Was?«, fragte Dirk leise.
»Eine neue Spur, die zu Ihrer Frau … Ihrer Exfrau führen könnte. Und damit auch zu Ihrer Tochter.«
Kapitel 2
Als Dirk das Haus verließ, blies ihm ein derart heftiger Wind entgegen, dass er die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkneifen und das Gesicht drehen musste, bevor er in gebückter Haltung den Weg zur Auffahrt hinuntereilte, auf der das Taxi bereits wartete. Er hatte zwei Wagen in der Garage stehen – seinen Mitsubishi Pajero und den Golf, den Kinah gefahren hatte –, aber er kam nicht einmal auf den Gedanken, einen von ihnen zu benutzen. Der Restalkohol, den er im Blut hatte, hätte schon als Grund ausgereicht, um das Auto stehen zu lassen, viel schlimmer war aber, dass er zurzeit keinen Führerschein besaß. Kurz nachdem Akuyi verschwunden war, war er in eine Polizeikontrolle geraten, und das nicht gerade nüchtern. Das hatte ihn vorerst das kleine rosa Ding gekostet, das sich EU-Führerschein nannte. Einen blöderen Zeitpunkt konnte er sich gar nicht vorstellen. Schließlich musste er flexibel sein, wenn sich eine Spur auftat, der er sofort nachgehen musste.
»Nun, rein mit dir, Mann«, schimpfte der Taxifahrer, nachdem er die Beifahrertür aufgerissen hatte und zögernd stehen geblieben war. »Gleich fängt es wieder an zu schiffen, und dann möchte ich nicht meine Sitze versaut haben.«
Dirk verstand überhaupt nicht, was der Fahrer von ihm wollte. Er verstand noch nicht einmal, was er hier sah und roch. Der Taxifahrer war fast so schwarz wie Kinah, hatte ein schmales, verlebtes Gesicht, das von Rastalocken umrahmt war, und eine selbstgedrehte Zigarette im Mundwinkel hängen, die mehr als nur ein bisschen verdächtig aussah – und auch genauso stank.
»Ich steige zu niemandem ins Auto, der gerade einen Joint raucht«, sagte Dirk.
»Einen Joint? Ey Mann, mach doch keinen Aufstand!« Der Schwarze verzog die Mundwinkel zu einem zahnlückigen Grinsen, doch seine Augen blieben kalt und musterten Dirk mit einem abschätzenden Ausdruck, der ihm gar nicht gefiel. »Ich rauch hier keinen Joint, echt nicht. Das ist Seegras, eine spezielle Mischung, absolut clean. Brauch ich, um die Birne freizuschuppern.«
»Ob Joint oder nicht«, sagte Dirk, »erstens wüsste ich nicht, seit wann wir uns duzen. Zweitens stinkt Ihre Kiste zum Himmel. Ganz abgesehen davon«, er deutete auf das rissige Armaturenbrett und den abgewetzten, ausgebleichten Bezug des Beifahrersitzes, »sieht Ihr Taxi aus, als hätten Sie es gerade vom Schrottplatz geholt.«
Der Farbige nickte. »Gut erkannt. Die Mühle sollte tatsächlich verschrottet werden. Aber davor habe ich sie bewahrt.«
Dirk seufzte. »Schon gut. Dann bestell ich mir eben ein anderes Taxi.«
»Nur nicht übertreiben.« Der Taxifahrer fischte sich die Selbstgedrehte aus dem Mundwinkel, sah sie bedauernd an und drückte sie dann im überquellenden Aschenbecher aus. »Steigen Sie lieber ein, bevor
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