Sturmwelten 01
Riemen legten und mit hohem Tempo auf die Korvette Kurs nahmen. Doch als die nächste Salve auf sie abgefeuert wurde, wandte sie sich ab .
Das Schiff und die Besatzung brauchten sie, und für Cearl konnte sie nichts mehr tun, was in ihrer Macht stand. Lediglich zu beten blieb ihr noch, und zum ersten Mal seit vielen Jahren waren ihre Gebete voller Inbrunst.
MAJAGUA
Im Innenhof hallten Schreie wider, Alarmrufe, Warnungen, sogar ein hohes, angsterfülltes Quietschen, das Majagua ein freudiges Schaudern durch den Leib fahren ließ.
»Die Zeit der furchtsamen Sklaven ist um«, flüsterte er Sinao zu. Noch vorhin hatte er sich hilflos ausgeliefert gefühlt, tödlich erschöpft, doch nun hatte Anui ihm seine Lebensgeister zurückgegeben. Er spürte keinen Schmerz und keine Erschöpfung. Der Himmel über ihnen war so blau, wie er ihn noch nie zuvor gesehen hatte, und das Rauschen des Meeres enthielt eine wundervolle Verheißung. Er war am Leben, Sinao war am Leben, sie waren frei, und Majagua brannte förmlich vor Tatendrang. Noch allerdings mussten sie sich zurückhalten.
Die anderen Sklaven kamen den Pfad zum Fort hochgestürmt. Sie liefen hintereinander, da der Weg schmal war, und sie schwenkten ihre Speere und die Schilde, und ihr Kriegsruf versprach allen Feinden einen blutigen Tod.
»Das Tor ist auf!«, schrie einer der Soldaten auf der Mauer entsetzt. »Bei der Einheit, das Tor!«
Gut gemacht, Sinao , dachte Majagua zufrieden. Gemeinsam mit ihr verbarg er sich hinter dem Torflügel. Sie mussten die Pforte so lange aufhalten, bis ihre Gefährten heran waren.
»Schließt das Tor!« Diese Stimme gehörte Tangye. Er kannte die Stimme nur zu genau. Die befehlsgewohnte, tiefe Stimme, in der nun zu Majaguas Freude Angst mitschwang.
Ein Schuss aus einer Muskete wurde abgegeben, und einer der Krieger stürzte mit einem schrillen Kreischen in die Bucht hinab. Weitere Schüsse fielen, doch für die Heranstürmenden gab es kein Halten. Sie konnten nicht stehen bleiben und nicht zurück, und wenn es ihnen ebenso wie Majagua ging, so würden sie lieber sterben, als zu fliehen.
Es näherten sich Schritte, schwere Stiefelabsätze auf dem gepflasterten Boden. Eine Hand erschien in Majaguas Sichtfeld, helle, schmutzige Finger mit groben Nägeln. Bevor die Blassnase den Torflügel packen konnte, sprang der junge Paranao vor. Seine Gegnerin taumelte erschrocken zurück, hob die Muskete, doch schon war Majagua an dem langen Lauf vorüber. Sie war allein. Das Messer des toten Soldaten lag gut in seiner Hand. Er führte es zum Stoß, wie es ihm die alten Krieger auf Guanquen beigebracht hatten. Es war eine gute Klinge, scharf und sauber; sie glitt mühelos durch Kleidung, Haut und Fleisch, schabte über eine Rippe, drang tief in den Leib ein. Ohne zu zögern, riss Majagua sie wieder heraus, stach noch einmal zu und noch einmal, bis die Soldatin leblos vor ihm auf dem Boden lag.
Schnell bückte er sich nach ihrem Gewehr. Sein Vater besaß eins, ein Geschenk des Cacique der Blassnasen auf Guanquen, und Majagua hatte schon einmal damit geschossen. Er konnte erkennen, dass dieses hier geladen und bereit war, tödliche Kugeln zu speien. Zwei weitere Soldaten stürmten die Treppe hinab, und Majagua legte das Gewehr an. Der Schuss war schlecht gezielt, und die Kugel schlug weit neben den Blassnasen ein, doch der Knall und die Splitter ließen sie zurückweichen und hastig Deckung suchen. Sofort warf der junge Paranao das Gewehr zur Seite.
Auf den Mauern schossen andere weiter. Majagua sah nicht, ob sie trafen, doch er wusste, dass es viele Tote geben würde. Anui, nimm sie zu dir. Sie sind als Krieger gestorben, als freie Paranao, nicht als Sklaven der verfluchten Blassnasen.
Er hatte keine Zeit, weiter an die Toten zu denken; es ging um die Lebenden. Die zwei Soldaten legten an, und Majagua hechtete hinter den Torflügel zu Sinao. Holz splitterte, ein daumenlanges Stück bohrte sich in seine Seite, doch die Kugeln verfehlten ihn. Er sah sich zu seiner Begleiterin um, und Sinao bedeutete ihm durch eine Geste, dass sie unverletzt war. »Bleib hier« , formten seine Lippen lautlos. Dann rappelte er sich auf und rannte los. Die Soldaten luden hektisch nach, kippten Pulver aus den Hörnern in den Lauf, ließen Kugeln hineinrollen, stopften.
Einer hätte es fast geschafft, doch Majagua war schon heran, schlug den Lauf der Muskete zur Seite und schlug dem Mann mit aller Kraft ins Gesicht. Als der Soldat nach hinten taumelte, sprang
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