Sturz in die Vergangenheit
Brust heraus.
Da gab Matthias auf und brüllte: „TÖRÖÖÖ.“
Vor ihm öffnete sich eine Zimmertüre. „Was ist denn das für ein Lärm?“
Matthias warf der Frau um die Fünfzig einen entschuldigenden Blick zu und dann einen auf Elias. Wenn sie selbst Kinder hatte, musste sie seine Not jetzt erkennen und Verständnis zeigen.
Doch diese Frau schien kinderlos zu sein. „Können Sie keine Rücksicht nehmen?“, wurde er angefaucht. „Es ist Mittagszeit, da hat jede Lärmbelästigung zu unterbleiben. Ich werde mich beschweren.“
Matthias sah zu, dass er sich mit seiner leider noch immer kreischenden Lärmbelästigung von der wütenden Frau weg – und in den mittleren Flur hineinbewegte.
Wo zu seinem Leidwesen schon wieder eine Türe aufgerissen wurde.
„Da seid ihr ja schon“, erlöste ihn Lida bereits im nächsten Moment von dem schluchzenden Elias und zog sie beide in Suite elf.
Wo sich Matthias sofort Iven gegenübersah.
Einem, genau wie in seiner Vorstellung, überaus strahlenden Iven.
„Tag Kumpel“, streckte der ihm schon jovial die Hand entgegen.
Matthias, zu erschöpft, um sich in irgendwelche Konkurrenzgefühle hineinsteigern zu können, erwiderte den Händedruck.
„Freut mich, euch alle mal wieder zu sehen.“ Iven warf einen kurzen Blick auf den noch immer wütend um sich strampelnden und alles andere als Ruhe gebenden Elias auf Lidas Arm. „Ein richtig kleiner Sonnenschein.“
Mistkerl! Matthias hatte Mühe, seine Missbilligung nicht laut hervorzustoßen. Iven sollte sich lieber in Zurückhaltung üben, wenn er nicht ... Seine Fäuste zuckten. Am liebsten hätte er Ivens allzu glattes Gesicht ein wenig aufpoliert.
„Vielleicht wird es besser, wenn ich ihn absetze?“
Auf Ivens gnädiges Nicken hin ließ Lida den sich windenden Jungen an ihrem Körper entlang auf den Boden rutschen.
Wo er sich sofort kreischend längs legte. Und dann noch zu allem Übel zu husten begann.
„Himmel“, stöhnte Iven und sah mit einem Mal nicht mehr überlegen, sondern deutlich genervt aus. „Was hat er denn?“
„Geschlafen“, antwortete Matthias trocken.
„Ha ha.“ Offensichtlich konnte Iven sich das überhaupt nicht vorstellen. Und glauben schon gleich gar nicht. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er Matthias an: „Du bist sicher, dass du den Jungen nicht misshandelt hast?“
Mit einem wütenden Aufschrei riss Matthias die schon wieder geballten Fäuste nach oben und machte einen Sprung. Auf Iven zu.
Lida auch. „Nein!“ Sie warf sich fast vor Iven und funkelte Matthias an. „Lass das.“
Doch noch ehe sich Matthias' Wut auf sie übertragen konnte, hatte sie sich schon umgewandt und schrie nun – gelobt sei Gott – Iven ins feixende Gesicht: „Und wenn du jetzt nicht deinen Mund hältst, sind wir gleich wieder weg.“
Das wirkte. Während Lida sie abwechselnd musterte, riss sich Iven sichtlich zur Ordnung. Matthias schnaufte ein paarmal tief durch. Sogar Elias' Husten hatte Erbarmen und ebbte ab. Lida zog den Kleinen wieder auf den Arm, wo er dann, den Daumen in den Mund gesteckt, endlich still wurde.
Danach wurde es besser. In jeder Hinsicht.
Die Unterlagen, von denen Iven am Telefon gesprochen hatte, lagen auf dem Tisch ausgebreitet. Matthias, eng neben Lida stehend, beugte sich synchron mit ihr darüber.
„Das ist ja phantastisch“, stieß sie hervor und deutete auf ein durch eine durchsichtige Plastikhülle geschütztes Pergament. „Das könnte tatsächlich ein Original sein.“
Was Lida in Jubelstürme ausbrechen ließ, ernüchterte Matthias gleichermaßen. Die Unterlagen waren genau das, was Iven angekündigt hatte: ein Bauauftrag, alte Rechnungen – nichts, was seinen Interessen auch nur im Mindesten entgegengekommen wäre, nichts Genealogisches. Enttäuscht richtete er sich wieder auf.
Lida nicht. Sie hatte mittlerweile eine Lupe in der Hand und studierte den Bauauftrag: „Meinhards Siegel ist darauf und – sieh mal – seine Unterschrift. Der Text – könnte das nicht auch seine Handschrift sein?“ Sie richtete sich auf und strahlte Iven an. „Ich bin absolut begeistert.“
Erst als Elias, der durch Lidas gebeugte Haltung inzwischen recht unglücklich in ihren Armen hing, sich wieder zu winden und zu jammern begann, richtete sie sich auf.
„Wie viele Dokumente sind es?“
Iven wies auf eine zweite Mappe. „Insgesamt wohl um die zwanzig.“
Wieder drifteten Lidas und Matthias' Reaktionen weit auseinander. Während sie in begeistertes Juchzen
Weitere Kostenlose Bücher