Styling deluxe / Roman
die Exfrau zweier Multimillionäre und eines Milliardärs, und Annie, die persönliche Einkaufsberaterin ihres Vertrauens … in London. Augenscheinlich existierte eine weitere persönliche Einkaufsberaterin in Paris, eine in New York und eine etwas weniger strapazierte in Moskau (»Nur für Pelze, sie weiß gar nichts, dieses Landei aus Sibirien«).
»Und wie fühlt sich das jetzt an?«, fragte Dr. Yasmin heiter.
Zwar hätte die ehrliche Antwort gelautet: »Als würden Sie eine lange spitze Nadel in meine Stirn stechen!«, doch Annie gelang ein etwas höflicheres »Ganz gut«, während die Assistentin nicht aufhörte, ihre tröpfelnden Tränen abzutupfen.
Ed würde nie im Leben gutheißen, was sie hier tat. Auf seine liebe Art versicherte er ihr ständig, dass er sie so liebte, wie sie war. Im Grunde hatte er allerdings keine Ahnung. Sie erschauderte bei dem Gedanken, wie sie in Wahrheit aussehen würde, wenn sie nicht mehr epilieren, zupfen, Strähnchen färben, maniküren, Make-up auflegen und sich mit Sorgfalt und Konzentration kleiden würde.
Falls er je von dem Botox und dem Shopping-Trip erfuhr, würde er einen seiner seltenen, aber trotzdem unangenehmen Anfälle bekommen. Doch er brauchte ja nichts zu erfahren, nicht wahr? Sie verbarg ihre eigenen ernsthaft überstrapazierten Kreditkarten streng vor seinen Blicken und speicherte die Rechnungen sorgfältig online. Außerdem fiel eine Botox-Behandlung Männern offenbar grundsätzlich nicht auf. Sie hatte sie auf Svetlanas Empfehlung hin lediglich wegen des durchdringenden Blicks der Fernsehkameras auf sich genommen.
Wenigstens war die Unterspritzung jetzt vorbei, und Annie durfte sich aufsetzen und das Ergebnis im Spiegel begutachten.
»Nun, es mag in den nächsten paar Tagen noch ein bisschen aufgedunsen und blutunterlaufen aussehen, und ich warne meine Klientinnen immer …«, setzte die Ärztin an.
Oh nein, jetzt kam sie wieder mit ihren Warnungen, und Annie hatte schon bei der ersten Besprechung so angestrengt weggehört: teilweise Lähmungen, Herzstillstand, Schlaganfall, bla, bla …
Aber nein, Frau Doktor verfügte über neue Informationen. »Es könnte Ihnen schwerfallen, Ärger, Schrecken oder starke Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Vielleicht müssen Sie Ihre Gefühle verbalisieren«, erklärte sie.
»Gut.« Annie nickte und starrte auf ihre Stirn im Spiegel. Die Falten waren weg! Völlig verschwunden! Ausradiert! Erstaunlich! Sobald sie ihr Fernsehgehalt in den Händen hielt, würde sie alle drei Monate hierherkommen. Die Frau Doktor hatte nichts Geringeres als ein Wunder vollbracht.
»Das ist ja genial, danke!«, rief sie aus und versuchte, der Frau Doktor ein entzücktes Lächeln zu schenken, spürte jedoch ein dumpfes Spannen vom Kopf her, als ihre Stirn vergeblich versuchte, sich gemäß der dazugehörigen Mimik zu verziehen.
»Das ist ein komisches Gefühl«, fügte sie hinzu.
»Ja, es dauert ein bisschen, aber Sie gewöhnen sich daran.«
Dr. Yasmin nahm den Mundschutz ab und verzog nur die untere Gesichtshälfte zu einem vorsichtigen Lächeln, das Annie auf Anhieb verstand.
Als sie an der Rezeption ihre gepfefferte Rechnung beglich, begann Annies Handy zu summen. Sie griff danach, warf einen Blick auf das Display und fragte sich, ob ihre Tochter Lana, sechzehn, nach der Schule anrief, weil sie kein Taschengeld mehr hatte, oder ob ihr Sohn Owen, zwölf, nach der Schule anrief, weil er nichts mehr zu essen hatte.
Nein. Es war Ed.
Annie meldete sich, bereute es jedoch sogleich in der leisen Panik, er könnte irgendwie über das Telefon mitbekommen, dass sie nahezu fünf Riesen für ihre immer umfangreicher werdende Garderobe und ihr frisch geglättetes Gesicht ausgegeben hatte.
»Annie?«, fragte Ed.
»Hallo, Schätzchen!«, erwiderte sie. »War’s schön in der Schule?«
Ed unterrichtete an der Schule ihrer Kinder. Trotz ihrer früheren Überzeugung, dass sie, ganz gleich, wo in der Welt sie suchte, nie im Leben wieder einen guten Mann finden würde, hatte sie, wie das Schicksal so spielt, nicht in die Ferne schweifen müssen. Sie hatte nur sehr, sehr oft genau hinsehen müssen, bis sie ihn endlich entdeckte.
»Ja«, antwortete er.
Bevor er noch mehr sagen konnte, rasselte sie ihre Fragen herunter. »Hast du die Wäsche aus der Reinigung geholt?«
»Ja.«
»Und Katzenfutter besorgt? Das Päckchen für mich abgeschickt?«
»Zweimal ja.«
»Und den Scheck für Lanas Tennis-Sache ausgestellt?«
»Ja, Mutter«,
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