Sub Terra
so lieb, Mama.«
Ashley hielt ihn fest und wiegte ihn in ihren Armen.
Ben zeigte auf den großen Kadaver. »Ich dachte, ich hätte das verfluchte Biest erledigt.«
»Wahrscheinlich hatte es ein genauso dickes Fell wie du«, erwiderte Harry.
Linda trat mit einem Lächeln aus dem Eingang. Als Jason sie sah, befreite er sich aus Ashleys Armen. Er wischte sich die Nase ab und rückte den Verband zurecht. Offenbar war ihm die mütterliche Zuneigung peinlich.
Ashley lächelte. War er schon so groß?
Plötzlich rief Harry: »Schaut!« Er zeigte mit dem Finger in die Höhe.
Ashley stand auf, schloss sich den anderen an und blickte nach oben.
Lichter sanken in Pirouetten von der Decke.
Im schwachen Schimmer der wenigen Suchscheinwerfer, die unversehrt geblieben waren, schwebten aufgespannte Fallschirme herab. Immer mehr Schirme fielen vom Gerüst des Fahrstuhlschachts und blähten sich auf. Jeder Fallschirmspringer hatte ein Halogenlicht, das er hin und her schwenkte, während er heruntersank. Innerhalb weniger Minuten schienen es hunderte zu sein, die in alle Richtungen trieben und die gesamte Basis abdeckten.
Wie Glühwürmchen in einer warmen Frühlingsnacht.
»Wer ist das?«, fragte Jason.
»Ich glaube, da kommt die Kavallerie über den Berg geritten«, sagte Harry.
Ben grunzte. »Wurde auch langsam Zeit.«
EPILOG
Mount Erebus, Antarktis
BEN KROCH SEUFZEND ins Bett. Was für ein Tag! Er kuschelte sich an Ashley. Sie stöhnte im Schlaf und rollte sich auf die Seite. Er legte seine Hand auf ihren Bauch. Man konnte es schon sehen. Nach vier Monaten machte Ashley immer noch keine Anstalten, ihre anthropologischen Studien der Mimi’swee einzuschränken. So, wie er sie kannte, würde sie wahrscheinlich erst den Stift hinlegen, wenn die Fruchtblase platzte.
Er lächelte im Dunkeln, legte sich auf den Rücken, den Arm unter dem Kopf, und starrte an die Decke. Die Alpha-Basis war inzwischen fast wieder aufgebaut worden. Die akustische Abschreckungsmethode, die Linda entwickelt hatte, hielt ihnen die Cra’kan erfolgreich vom Leib. Ihr Biologenteam hatte außerdem eine weitere Entdeckung gemacht: Die Zerstörung des schützenden Schimmelpilzgürtels der Mimi’swee hatte nichts mit der gestörten Balance von Umbo und Ohna zu tun, wie Mo’amba behauptet hatte, sondern mit einem »modernen«, wettbewerbsfähigeren Schimmelpilz, den die Menschen eingeschleppt hatten. Also hatte Sin’jari doch Recht gehabt – die Menschen waren schuld. Zumindest indirekt.
Ben gab ein knarrendes Ächzen von sich und streckte seine matten Glieder. Das Maß seiner Verantwortung als Heri’huti dem Stamm gegenüber schien unendlich zu sein. Kein Wunder, dass Mo’amba ihm den Staffelstab übergeben wollte. Dennoch fühlte er sich dem Angedenken des alten Mannes gegenüber verpflichtet, die Aufgabe weiter auszuüben. Zumindest bis der winzige Nachwuchs der Mimi’swee, der die Gabe der Heri’huti hatte, reif für die Position war. Ben überwachte die Erziehung des Kindes, eine weitere Pflicht. Das Kind, das von Mo’amba Tu’shama getauft worden war, bevor er starb, war ein Mädchen, der erste weibliche Heri’huti des Stammes. Das Geschlecht des Kindes hatte die Gemeinschaft schockiert, doch das kümmerte Ben nicht. Männlich oder weiblich – sie war seine Nachfolgerin!
Ben kuschelte sich tiefer in seine Decke. Er konnte sich wirklich nicht beklagen. Der Job brachte natürlich Privilegien mit sich. In seiner Freizeit konnte er das weit verzweigte Höhlensystem erforschen. Die Krieger, die die Höhlen wie ihre Westentaschen kannten, zeigten ihm so wundersame Dinge, dass er manchmal zu träumen glaubte.
Auch wenn sie dabei den Kot der Cra’kan einsammelten.
Ben schloss die Augen. Viel zu bald käme der Morgen. Er rollte sich auf die Seite und legte einen Arm um Ashleys Taille.
Als er in den Schlaf hinüberglitt, spürte er im Traum eine Berührung. Sanft und vorsichtig. Jemand rief ihn.
Er öffnete sich, bereit, Kontakt aufzunehmen, doch die Verbindung brach wieder ab. Es war nur ein vorübergehender Kontakt gewesen, eine warme Brise, die über eine kalte Wange wehte.
Dann nichts mehr.
Wer?
Seine Hand spürte, wie das Baby sich in Ashleys Bauch regte. Da erinnerte er sich an Mo’ambas Worte: »Blut ist dicker als Wasser.«
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