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Sudelbücher: Ausgesucht feine Texte mit Biss (German Edition)

Sudelbücher: Ausgesucht feine Texte mit Biss (German Edition)

Titel: Sudelbücher: Ausgesucht feine Texte mit Biss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Ch Lichtenberg
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veränderte Luft, da wir doch in die Luft geschaffen sind. Allein wer weiß, ob nicht vieles von unserm Vergnügen von diesem Balancement abhängt, diese Empfindlichkeit ist vielleicht ein wichtiges Stück von dem, was unsern Vorrang vor den Tieren ausmacht. [A 61]
    Eine Empfindung, die mit Worten ausgedruckt wird, ist allzeit wie Musik, die ich mit Worten beschreibe, die Ausdrücke sind der Sache nicht homogen genug. Der Dichter, der Mitleiden erregen will, verweist doch noch den Leser auf eine Malerei und durch diese auf die Sache. Eine gemalte schöne Gegend reiße augenblicklich hin, da eine besungene erst im Kopf des Lesers gemalt werden muss. Bei der ersten hat der Zuschauer nichts mehr mit der Einrichtung zu tun, sondern er schreitet gleichsam zum Besitz, wünscht sich die Gegend, das gemalte Mädchen, bringt sich in allerlei Situationen, vergleicht sich mit allerlei Umständen bei der Sache. [A 62]
    Ein gewisses großes Genie fängt aus einem besondern Hang an, eine Verrichtung vorzüglich zu treiben, weil es schwer war, so wird er bewundert, andere reizt dieses. Nun demonstriert man den Nutzen dieser Beschäftigungen. So entstehen Wissenschaften. [A 64]
    Um uns ein Glück, das uns gleichgültig scheint, recht fühlbar zu machen, müssen wir immer denken, dass es verloren sei und dass wir es diesen Augenblick wiedererhielten. Es gehört aber etwas Erfahrung in allerlei Leiden dazu, um diese Versuche glücklich anzustellen. [A 68]
    Die Entschuldigungen, die man bei sich selbst sich macht, wenn man etwas unternehmen will, sind ein vortrefflicher Stoff für Monologe, denn sie werden selten anders gemacht, als wenn man allein ist und sehr oft laut. [A 71]
    Wenn man einen guten Gedanken liest, so kann man probieren, ob sich etwas Ähnliches bei einer andern Materie denken und sagen lasse. Man nimmt hier gleichsam an, dass in der andern Materie etwas enthalten sei, das diesem ähnlich sei. Dieses ist eine Art von Analysis der Gedanken, die vielleicht mancher Gelehrter braucht, ohne es zu sagen. [A 72]
    Es ist etwas Unbegreifliches, dass uns schwer wird, in Komödien natürlich zu schreiben, da uns doch da Natürliches am natürlichsten ist. Es kommt bloß daher, dass wir das Natürliche mit einem Ausdrucke zuweilen verbinden müssen, der nicht so ganz gemein ist, und man ist sehr geneigt, wenn der Geschmack sich nicht auf Philosophie und Vernunft und das menschliche Herz gründet, die Grenzen zu überschreiten. [A 73]
    Dante Alighieri nennt in seiner Komödie den Virgil mit vielem Respekt seinen Lehrer und hat ihn, wie Herr Meinhard bemerkt, doch so schlecht genützt, eine deutliche Probe, dass man schon damals die Alten lobte, ohne zu wissen warum, sie zu loben und andere Sachen tun, dieser Respekt gegen Dichter, die man nicht versteht und doch erreichen will, ist die Quelle unserer schlechten Schriften. [A 78]
    Wenn wir so vollständig sprechen könnten, als wir empfinden, die Redner würden wenige Widerspenstige und die Verliebten wenig Grausame finden. Unser ganzer Körper wünschet bei der Abreise eines geliebten Mädchens, dass sie dableiben möchte, kein Teil drückt es aber so deutlich aus als der Mund: Wie soll er sich aber ausdrücken, dass man auch etwas von den Wünschen der übrigen Teile empfindet? Gewiss, das ist sehr schwer zu raten, wenn man noch nicht in dem Fall wirklich ist, und noch schwerer, wenn man nie darin war. [A 79]
    Bei einem Verbrechen ist das, was die Welt das Verbrechen nennt, selten das, was die Strafe verdient, sondern da ist es, wo unter der langen Reihe von Handlungen, womit es sich gleichsam als mit Wurzeln in unser Leben hinein erstreckt, diejenige ist, die am meisten von unserm Willen dependierte und die wir am allerleichtesten hätten nicht tun können. [A 80]
    Es ist ein Fehler in unsern Erziehungen, dass wir gewisse Wissenschaften so früh anfangen, sie verwachsen sozusagen in unsern Verstand, und der Weg zum Neuen wird gehemmt. Es wäre die Frage, ob sich die Seelenkräfte nicht stärken ließen, ohne sie auf eine Wissenschaft anzuwenden. [A 81]
    Ein gewisser Philosoph sagt, man müsse [bei] Zeiten den Geist mit nützlichen Wahrheiten [speisen]. Herr N. hatte ihn zuweilen halbe Jahre [hun ]gern lassen und auf einmal wieder so gefüttert, dass man auf allen Messen sagte: Mein Gott, der Mensch hat sich übernommen (pm). [A 85]
    Es gibt eine gewisse Art Menschen, die mit jedem leicht Freundschaft machen, ihn ebenso bald wieder hassen und wieder lieben, stellt man

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