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Süden und das Lächeln des Windes

Süden und das Lächeln des Windes

Titel: Süden und das Lächeln des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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verheiratet, der Mann ein arbeitsloser Computerfachmann, ein Sohn, Timo, neun Jahre alt. Sie ruft die Polizei an, benimmt sich dann aber alles andere als kooperativ. Wie benahm sie sich überhaupt? Was genau wollte sie uns vermitteln?
    »Ich glaub, wir müssen uns keine Sorgen machen«, sagte Martin.
    »Hoffentlich«, sagte ich.
    »Das ist doch eine Dummheit, die Eigenheimzulage kürzen zu wollen!«, hörte ich vom Nebentisch.
    »Solche Einschnitte sind notwenig.«
    »Nein, das ist nur Umschichtung, das ist Einsparen am falschen Platz, am ganz falschen Platz.«
    Ich versuchte meine Kaffeetasse zu erreichen, was bedeutete, dass mir der Hosenbund wieder in den Bauch schnitt, der sich unfreundlich wölbte. Diese Jeans waren zu eng, sie waren seit einem Jahr zu eng, weil es mir nicht gelang entweder neue zu kaufen oder abzunehmen.
    »Warum wollte sie mit dir allein sprechen?« Martin winkte dem Wirt, weil er ein frisches Bier brauchte.
    »Das weiß ich nicht«, sagte ich. »Ich hab dir alles erzählt.«
    »Sie brauchte jemand zum Quatschen«, sagte Martin.
    »Noch ein Helles?«, fragte der Wirt, ein Mann in einem karierten Hemd und einer schwarzen Lederweste.
    »Bitte«, sagte Martin.
    »Sie auch noch was?«, fragte der Wirt mich.
    »Nein.«
    »Wir haben frischen Nusskuchen.«
    »Nein.«
    Als wir das letzte Mal hier saßen, vor etwa zwei Jahren, hatte es auch frischen Nusskuchen gegeben, und schon das erste Stück war angeschimmelt gewesen. Der Wirt war rasend erstaunt und erklärte, das sei ihm ein Rätsel, der Kuchen sei wirklich blechfrisch. Ich hatte dieses Wort noch nie gehört und wiederholte es. »Superblechfrisch!«, sagte der Wirt daraufhin und brachte mir ein neues Stück, das ich schnell aufaß, bevor es älter wurde.
    »Erinnerst du dich an unseren Freund aus dem Nebel?«, fragte Martin.
    Er hieß Josef Singer und stammte aus dem niederbayerischen Deggendorf, dem größten Nebelloch der Welt, wie er behauptete. Vielleicht hatte er sich deshalb ein Hotel mit dem Namen »Aurora« ausgesucht, wo er seine neue Freundin traf, die schöne Annabelle, die eigentlich nur Anna hieß, sich aber, weil sie so schön war, Annabelle nennen ließ. Ihre Schönheit, fanden Martin und ich, war relativ, was keine Rolle spielte, weil es uns nichts anging, abgesehen davon, dass Annabelle, die als Schalterbeamtin in einem Postamt in Pasing arbeitete, von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden und von ihrer Schwester als vermisst gemeldet worden war. Zur gleichen Zeit erhielten wir von unseren niederbayerischen Kollegen ein Fernschreiben über einen Vermisstenfall Singer Josef. Wir brauchten einen Monat, um Annabelle zu finden und im selben Bett den endlich nebellosen Josef. Da sie beide erwachsen waren – Josef war zweiundsechzig, Annabelle einundfünfzig –, hatten wir keine Handhabe, sie zu ihren Familien zurückzubringen, zumal sie uns verboten, irgendjemandem ihren Aufenthaltsort zu nennen. Sie hatten sich im Hotel »Aurora« in der Herzogstraße eingemietet und nicht die Absicht, dort wieder wegzugehen, zumindest nicht, solange ihr Geld reichte.
    Josef hatte von zu Hause sechzigtausend Euro mitgebracht, die er sich von seiner Bank in kleinen Scheinen hatte ausbezahlen lassen, und Annabelles Ersparnisse beliefen sich auf knapp zwanzigtausend Euro. Der Bruder von Josefs Ehefrau drohte uns mit Gewalt, wenn wir ihm nicht verrieten, wo sein Schwager sich aufhielt, und Annabeiles Schwester hörte nicht auf zu weinen, ohne dass wir verstanden, worüber, da die beiden Frauen nach allem, was wir herausgefunden hatten, keinen sehr engen und herzlichen Umgang gepflegt hatten. Man konnte es nicht anders sagen: Josef Singer war ein glücklicher Mensch. Jede Nacht, erzählte er uns, spaziere er mit seiner Geliebten durch die Großstadt und erfreue sich an den Lichtern, dem Treiben auf den Straßen und in den Kneipen und vor allem an der Nebellosigkeit. Dass es in München keinen Nebel gibt, sagte er immer wieder, das sei für ihn das Paradies. Und Annabelle putzte sich jeden Abend dermaßen heraus, als wäre sie zum Filmball im »Bayerischen Hof« eingeladen. Sie hatten für sich eine neue Welt erfunden, in ihrem Zimmer fünfundzwanzig des Hotels »Aurora«, und vielleicht war Martin im Recht, wenn er behauptete, die beiden hätten einen an der Waffel. Doch wer waren wir, dem Glück Vorhaltungen zu machen, es hatte die beiden erwählt, und wir Kriminalisten waren bloß ungebetene Zaungäste.
    »Was denkst du, ist aus ihnen

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