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Süden und das Lächeln des Windes

Süden und das Lächeln des Windes

Titel: Süden und das Lächeln des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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beängstigende Weise unerschöpflich schien, doch ich wurde mürrisch und verschlossen, wenn ich den Eindruck bekam, jemand nutzte mein Schweigen aus. Damit meine ich nicht, ob mich jemand anlog oder auszutricksen versuchte oder mir, aus welchen Gründen auch immer, Geheimnisse seines Lebens anvertraute, die mich nicht das Geringste angingen, oder mich mit einer Meinung überschüttete, die mich nicht interessierte. Was mich in die Abwesenheit trieb war, wenn jemand mich als wandelndes Testlabor für taktische Experimente mit seiner Seele benutzte, jemand, der sich vor seinen eigenen Explosionen fürchtete und deshalb einen anderen brauchte, um diese auszulösen und selbst möglichst unbeschadet davonzukommen. Wer mich mit einem Arzt, Psychiater oder Priester verwechselte, für den blieb ich unerreichbar, ich konnte nichts für ihn tun und ich versuchte es nicht einmal.
    »Sie müssen mir glauben«, sagte Susanne Berghoff, »ich wollt nicht, dass er wegläuft, ich wollt nur, dass er tut, was ich ihm sag, ich wollt ihn nicht verprügeln, ich wollt ihm nur sagen, dass es so nicht geht, dass das nicht geht… Und dann hab ich ihn so verprügelt, dass er geblutet hat, Herr Süden…«
    Ich sagte: »Vielleicht hat er es verdient.«
    Vor Schreck zuckte sie mit den Beinen und schlug sich das Knie an der Unterkante des Tisches an.
    »Sie mussten es vielleicht tun«, sagte ich.
    »Das ist doch nicht Ihr Ernst!« In die Anspannung in ihrem Gesicht mischte sich Empörung, die sie ein wenig aus ihrer Lethargie befreite.
    »Warum nicht?«
    »Sind Sie für die Prügelstrafe? Sie sind doch Polizist! So was dürfen Sie doch nicht sagen, das dürfen Sie doch nicht!«
    Ich schwieg.
    »Er hat geblutet, Herr Süden!« Sie stemmte die Hände auf den Tisch. Ihre Finger wirkten weiß und unwirklich.
    »Im Gesicht hat er geblutet und an den Händen, die hat er doch vors Gesicht gehalten, er hat sich die Hände vors Gesicht gehalten, weil ich ihn so fest geschlagen hab…«
    »Womit?«
    »Bitte?«
    Sie war völlig verwirrt.
    »Womit haben Sie ihn geschlagen?«
    »Mit… mit der Hand und dann… und dann mit dem Kleiderbügel, der lag da, zufällig auf seinem Bett, der lag bloß zufällig da, und ich hab… Er hat so laut geschrien, und ich hab immer weiter geschlagen, so lange, bis er liegen geblieben ist und sich… und sich nicht mehr gerührt hat, er hat sich nicht mehr gerührt, Herr Süden. Im ersten Moment hab ich gedacht, er ist tot, das hab ich gedacht, o Gott, hab ich gedacht, o Gott o Gott…«
    Sie sah an mir vorbei zur Wand, dann zur Tür, dann wieder zur Wand neben mir.
    Ich schwieg.
    Endlich schaffte sie es mich anzusehen.
    »Haben Sie nichts zu sagen?«
    »Nein«, sagte ich.
    Ihre Empörung, die sie soeben noch aufgewühlt hatte, verwandelte sich in Unsicherheit. Ich sah ihr an, wie krampfhaft sie versuchte herauszufinden, was sie empfinden, wie sie reagieren solle und was mein Verhalten zu bedeuten habe. Ich tat nichts, stand regungslos an die Wand gelehnt, die Hände hinter dem Rücken, vermutlich wirkte ich teilnahmslos oder abweisend.
    »Er ist wegen mir weggelaufen«, sagte Susanne Berghoff und wartete auf eine Reaktion.
    Aber ich reagierte nicht Mindestens eine Minute lang.
    Die Frau sah mich an, unschlüssig, ob sie etwas sagen solle, mit zusammengezogenen Brauen, die Hände auf den Tisch gepresst.
    Dann stieß ich mich von der Wand ab und setzte mich auf den Stuhl, auf dem vorher Martin gesessen hatte.
    »Warum haben Sie Ihren Jungen geschlagen, Frau Berghoff?«
    »Er hat… er hat nicht gefolgt«, sagte sie. »Er folgt manchmal nicht, er kommt zu spät nach Hause, er lernt nicht, er muss… wir möchten, dass er aufs Gymnasium geht, er ist ja schon neun, aber… Wir haben ihn ein Jahr später eingeschult, damit er noch was hat von seinem Kindsein, damit er noch was davon hat. Haben Sie das vorhin ernst gemeint mit dem: Vielleicht hat ers ja verdient? Haben Sie das ernst gemeint?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Sie haben mich ganz schön erschreckt!« Ich schwieg.
    »Irgendwie… irgendwie hab ich Sie mir anders vorgestellt, irgendwie… nicht so…«
    »So korpulent?«, sagte ich.
    »Bitte? Sie sind doch nicht korpulent, Herr Süden, nein… Ich hab mir… ich dachte, Sie wären… Entschuldigung, mehr ein sanfter Typ…«
    Ich schwieg.
    »Sanfter«, wiederholte sie. »Ich kenn Sie ja nur aus der Zeitung, ich hab die Fotos gesehen… Tut mir Leid.«
    »Ich kann schon sanft sein«, sagte ich, als müsse sie das wissen und

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