Süden und der glückliche Winkel
vorbeirauschte, die entscheidende Frage stellte, etwas leise, wie Olga Korbinian sich erinnerte, aber vielleicht lag es am lauten Fluss. Sie heirateten am vierzehnten Mai in St. Maximilian, der Kirche, in der Cölestin Korbinian getauft worden war. Kurz darauf zogen sie in die Blumenstraße, in jenen Teil, der später in »An der Hauptfeuerwache« umgetauft wurde. Einen Anlass wegzuziehen oder sich zu trennen gab es nie. Alle heiligen Zeiten brachte Olga ihren Mann dazu, mit ihr nach Südtirol zu verreisen, meist nach Meran, wo sie als Kind oft die Ferien mit ihren Eltern verbracht hatte. In der Erinnerung hörte sie das Klacken ihrer rosafarbenen Stöckelschuhe, die sie als kleines Mädchen tragen durfte, nur im Urlaub allerdings, und jedes Mal, wenn sie mit Cölestin an den alten Häusern vorüberging, stellte sie sich mit einem Eis in der Hand in den Schatten einer Laube, so wie sie es als Kind getan hatte, und bat ihn, sie zu fotografieren.
Widerwillig tat er es, seiner Meinung nach hatten Fotos keinen Sinn, sie würden einem nur etwas vorgaukeln, und wenn Olga fragte, was er damit meine, wandte er sich ab und kam vielleicht beim Abendessen darauf zurück, indem er erklärte, was man erst fotografieren müsse, könne man auch gleich vergessen.
Manchmal sagte er solche Sachen, dann wunderte sie sich ein wenig über ihn und sah ihn länger an als üblich, beobachtete ihn sogar, abends in der Pension, morgens beim Frühstück, beim Wandern auf dem Küchelberg.
Aber er wirkte entspannt und gleichmütig wie zu Hause, er pflückte Blumen auf der Wiese und schenkte sie ihr, beinah übermütig und eigenartig linkisch, und sie nahm den kleinen bunten Strauß und küsste ihren Mann auf den Mund. Dabei, sagte sie, habe sie manchmal daran denken müssen, wie er ihr den Antrag gemacht hatte, unten an der Brücke, da hatten sie sich zum ersten Mal geküsst, obwohl sie schon zweiundzwanzig war und er zwanzig. Ehrlich gesagt, meinte sie, sei sie doch ganz gut dran. Welche Ehefrau werde jeden Tag geküsst, und immer auf den Mund und nie flüchtig, eher inniglich. Ja, inniglich, betonte sie, auch im Urlaub, wenngleich nicht jeden Morgen, aber untertags, bei bestimmten Gelegenheiten, in einer kühlen Gasse, am Flussufer in einem milden Wind, plötzlich, als erinnere er sich an ein Versäumnis, und hinterher, sagte sie, habe er meist einen heiteren Gesichtsausdruck gehabt.
In diesem Jahr hatten sie nicht vor zu verreisen. Wegen der Terminplanung seiner Kollegen musste Cölestin Korbinian vier Wochen Urlaub im Juli nehmen, das machte ihn einen Tag und einen Abend lang wütend. Ursprünglich hatte er überlegt, eine Woche nach Bozen zu fahren, zur Abwechslung, und Olga war einverstanden gewesen.
Sie waren erst vor drei Jahren in Meran gewesen, und sie hatte sich einen Reiseführer für Bozen besorgt und schon Telefonate mit Pensionen geführt.
Und an seinem dritten Urlaubstag, am Mittwoch, den dritten Juli, ging er mittags aus der Wohnung, um, wie er sagte, seinen Kollegen und Freund Magnus zu treffen, der am Nachmittag frei hatte. Gemeinsam wollten sie auf dem Viktualienmarkt ein Bier trinken, eine Kleinigkeit essen und bei Dehner nach den Fischen sehen. Seit Olga ihn kannte, liebäugelte Cölestin damit, sich zwei Aquarien anzuschaffen. Sein Vater hatte fünf besessen, und Cölestin behauptete, er könne sich an keine stärkere Verbundenheit mit seinem Vater erinnern als an die in jenen Stunden, die sie beide vor den beleuchteten Glaskästen verbrachten und den unermüdlich zwischen den Pflanzen und Steinen dahingleitenden, vielfarbigen und auch unheimlich wirkenden Fischen zusahen. Sein Vater beobachtete jedes einzelne Exemplar, und wenn er glaubte, ein Fisch bewege sich merkwürdig, holte er ihn mit einem grünen Kescher heraus, betrachtete ihn, blies ihn an und setzte ihn behutsam ins Wasser zurück. Danach nickte er seinem Sohn zu, als wolle er ihm mitteilen, es sei alles in Ordnung und sie brauchten sich keine Sorgen zu machen. Manchmal winkte der kleine Cölestin den Fischen zu und beugte sich vor, damit sie ihn besser sehen konnten.
An diesem Mittwoch verabschiedete sich der Postler von seiner Frau, und als ich sie fragte, ob er sie an der Tür wie immer auf den Mund geküsst habe, wusste sie es nicht mehr. Erschrocken ging sie zum Fenster, schob die Gardine ein Stück beiseite und sah hinaus. Endlich stand ich auf. Vom heißen Kaffee und der drückenden Luft lief mir der Schweiß in den Nacken.
Natürlich hatte meine
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