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Süden und der Luftgitarrist

Süden und der Luftgitarrist

Titel: Süden und der Luftgitarrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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sagte Sonja. Ich sagte: »Im Gegenteil.«
    »We call him… Mr Jeepster!«, rief Cargo und die Menge stieß ein kehliges »Heeeey!« aus.
    Inzwischen hätte auch eine Kettensäge nichts mehr genützt, um die Luft zu zerschneiden.
    »Aber er kommt nicht allein!«, schrie Cargo ins Mikrofon, begleitet von massivem Applaus. »Hier ist er! The first finalist! Mr Jeepster and…«
    Und aus hundert Kehlen schrie es: »… THE MOST FAMOUS LITTLE RABBITS FROM THE VILLAGE OF RAMER’S!«
    Im tobenden Jubel seiner Fans kam Martin auf die Bühne. Er stellte sich an den Rand und verbeugte sich. Dann hängte er sich die Gitarre um, die er bisher in der Hand gehalten hatte, stöpselte das Verstärkerkabel ein, spielte einen Akkord, hob die Hände in die Höhe und ballte die Fäuste, wandte sich um und zeigte auf seine vier Musikerinnen, die sich im Hintergrund gruppierten: Am Schlagzeug Malu aus Bogota, am Bass Jennifer aus Newhampton, am Schlagzeug Linda aus Wellington und an den Keyboards Amanda aus Boston. Vor jedem Auftritt stellte Martin sie vor. Dann begann seine Show. Für das Finale hatte er zur Überraschung der Jury und vermutlich auch des Publikums einen Bob-Dylan-Song gewählt.
    »Auch das noch«, sagte Sonja. Ich küsste sie, damit sie den Mund hielt. Es war eine beschwingte Siebzigerjahreversion von »A hard rain’s a-gonna fall«, ein Stück, das aus fünf Strophen mit insgesamt siebenundfünfzig Versen besteht. Das wäre kein Grund gewesen, es nicht zu spielen, das Problem war nur, dass die Jury für das letzte Duell die Regeln geändert und die Spielzeit auf eine Minute begrenzt hatte, so wie es die Statuten bei der Weltmeisterschaft in Finnland verlangten.
    Erst in diesem Moment begriff ich, dass ich vorhin nicht richtig zugehört und auch nicht richtig hingesehen hatte. Mr Jeepster hatte sich nicht seine Fender, sondern einen E- Bass umgehängt, und die Lead-Gitarre hatte Jennifer übernommen. Und so zupfte er eine Minute auf seinen sechs Saiten, hüpfte von rechts nach links über die Bühne, tänzelte vor den kreischenden Fans auf und ab, warf seinen Oberkörper nach vorn und lehnte sich zurück, wie zur Entspannung, sah seinen Fingern bei den Läufen zu, schürzte die Lippen, spielte eine Stelle nur mit dem kleinen Finger der rechten Hand, verpasste keinen Ton, blieb immer im Rhythmus.
    Und nach genau sechzig Sekunden war die erste Strophe vorbei, und die Musik brach ab. Mr Jeepster verbeugte sich, hielt den Bass über den Kopf, verneigte sich vor seiner Band und wartete, bis seine Musikerinnen die Bühne verlassen hatten, bevor er selbst hinunterkletterte. Die Zuhörer schrien seinen Namen, pfiffen und trampelten mit den Füßen und drängten sich so eng um Sonja und mich, dass ich einige Jugendliche mit beiden Händen wegstemmen musste.
    Aus einer Gruppe im Halbdunkel winkte jemand, und nach einer Weile erkannte ich das Gesicht. Holder von St.
    Sebastian war gekommen. Aufgeregt zeigte er auf eine Frau neben sich, die trotz der Hitze einen dicken Wollschal trug und ihre Wildlederjacke nicht ausgezogen hatte. Vermutlich war es seine Freundin Senta, die kostenlos Bazillen verteilte.
    »Ladies and gentlemen!«, schrie Cargo ins Mikrofon.
    »The second finalist…«
    Nun streckte sogar Sonja den Kopf in die Höhe. Ich griff nach ihrer Hand.

15
    Z uerst lachten einige Zuhörer. Doch nach einer Weile, in der er regungslos in der Mitte der Bühne stand , den schwarzen Gitarrenkoffer in der Hand, beleuchtet von einem roten Spot, hörten sie auf zu lachen, und das Publikum verstummte. Faks, der Wirt, ließ hinter dem Tresen das Gläserspülen sein, die Gespräche in den Reihen nahe der Eingangstür ebbten ab, bis nur noch das Brummen der Stereoanlage zu hören war. Und weil auch dieses Geräusch noch zu aufdringlich war, schaltete Cargo die Anlage aus.
    Edward Loos trug ein schwarzes Hemd, schwarze Jeans, schwarze Schuhe und dazu den zerknitterten gelben Hut seines Halbbruders und dessen verbogene dunkle Sonnenbrille.
    Extra für ihn war ein Ständer mit Cargos Mikrofon auf die Bühne gestellt worden. Eine Minute lang tat er nichts.
    In dieser Minute sah ich, zwischen zwei Jugendlichen hindurch, am Tisch, an dem Martin saß und Edward gesessen hatte, Genoveva Viellieber. Sie hatte die Hände vor dem Gesicht gefaltet und ihr Blick hing an dem Mann auf der Bühne, nichts und niemanden sonst schien sie wahrzunehmen. Ich vermutete, dass Edward sie eingeladen hatte. Seine Mutter war offensichtlich nicht gekommen.
    Als

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