Tödlicher Champagner (German Edition)
1. KAPITEL
N iemand hustete so einfach auf hundertfünfzig Millionen Dollar. Keiner der Anwesenden in der weitläufigen Bibliothek des Herrenhauses Jolley’s Folley hätte das gewagt, ausgenommen Pandora. Mit viel Inbrunst und wenig Zurückhaltung hustete und nieste sie in ein zerdrücktes Papiertaschentuch, putzte sich die Nase, lehnte sich zurück und wünschte sich, das Schnupfenmittel würde endlich die versprochene schnelle Erleichterung bringen. Vor allem wünschte sie sich natürlich, sich gar nicht erst diese grässliche Erkältung eingefangen zu haben. Und noch mehr wünschte sie sich an irgendeinen anderen Ort auf dieser Welt.
Sie war umgeben von Dutzenden von Büchern, die sie gelesen, und Hunderten, die sie nicht einmal angesehen hatte, obwohl sie viele, viele Stunden in der Bibliothek verbracht hatte. Der Geruch der ledergebundenen Werke mischte sich mit dem Staub, und beides war Pandora lieber als der erstickende Duft der Lilien, die drei bauchige Vasen füllten.
In einer Ecke des Raumes war ein Schachspiel aus Marmor und Elfenbein aufgebaut, an dem Pandora zahlreiche hitzig umstrittene Partien verloren hatte, Onkel Jolley – Gott segne sein rundliches, unschuldiges Gesicht und seine kurzen, dicken Finger – war beim Spielen ein leidenschaftlicher und geschickter Betrüger gewesen. Pandora wiederum hatte keine Niederlage so einfach eingesteckt. Vielleicht hatte er sie deshalb so gern geschlagen, mit ehrlichen oder unehrlichen Mitteln.
Durch die drei Bogenfenster fiel das Licht matt und düster herein. Es passte zu Pandoras Stimmung und, wie sie fand, auch zu den Vorgängen. Onkel Jolley hätte die Szenerie gefallen.
Wenn Pandora liebte – und sie brachte dieses Gefühl nur einigen Auserwählten in ihrem Leben entgegen –, legte sie alles von sich in diese Liebe. Von Geburt an besaß sie grenzenlose Energien, und sie hatte mit der Zeit eiserne Beharrlichkeit entwickelt. Auf ihre uneingeschränkte, alles umfassende Weise hatte sie Onkel Jolley geliebt und alle seine Schrullen zuerst anerkannt und dann akzeptiert. Er war dreiundneunzig geworden, aber er war nie stumpf oder zerstreut gewesen.
Einen Monat vor seinem Tod waren sie beide angeln gegangen – verbotenerweise, um es genau zu nehmen –, und zwar in dem See desNachbarn. Nachdem sie mehr gefangen hatten, als sie essen konnten, hatten sie dem Eigentümer ein halbes Dutzend Forellen, ausgenommen und tiefgekühlt, zurückgeschickt.
Pandora würde Onkel Jolley vermissen, mit seinem rundlichen Cherubsgesicht, seiner hohen, melodiösen Stimme und seinen kleinen Bosheiten. Von seinem drei Meter hohen Porträt in einem extravaganten Rahmen lächelte er auf sie mit demselben leichten Grinsen herunter, mit dem er Millionengeschäfte abgeschlossen oder einem ahnungslosen Vizepräsidenten einen Drink in einem angebohrten Glas in die Hand gedrückt hatte.
Sie vermisste ihn jetzt schon. Niemand in ihrer weit verzweigten, sehr unterschiedlichen Familie verstand und akzeptierte sie mit der gleichen Leichtigkeit. Das war ein Grund mehr gewesen, aus dem sie ihn verehrt hatte.
Von Gram niedergedrückt und von der Erkältung geplagt, lauschte Pandora den monotonen Ausführungen Edmund Fitzhughs über die einleitenden Bestimmungen zu Onkel Jolleys Testament. Maximilian Jolley McVie war nie einer der Schnellsten gewesen. Er hatte stets gesagt, man solle etwas so lange tun, bis der Dampf heraus war. Sein letzter Wille trug seinen Stil.
Pandora machte sich nicht die Mühe, ihr Desinteresse an den Formalitäten zu verbergen und betrachtete eingehend die anderen Anwesenden in der Bibliothek.
Sie Trauernde zu nennen, wäre einer jener bösen Scherze gewesen, die Onkel Jolley geschätzt hätte.
Da waren Jolleys einziger noch lebender Sohn, Onkel Carlson, und seine Frau. Wie hieß sie doch? Lona … Mona? Spielte das eine Rolle? Steif aufrecht und hellwach hockten sie in Schwarz nebeneinander und erinnerten Pandora an Krähen auf einem Telefondraht, die darauf warteten, dass ihnen etwas vor die Füße fiel.
Cousine Ginger – süß, hübsch und harmlos, aber auch ziemlich unbedarft. In diesem Monat war ihr Haar Jean-Harlow-blond. Der gute Cousin Biff war da in seinem schwarzen, sündhaft teuren Anzug von Brooks Brothers. Er saß zurückgelehnt, ein Bein über das andere geschlagen, als würde er ein Polomatch betrachten. Pandora war sicher, dass er sich kein Wort entgehen ließ. Seine Frau – war das Laurie? – machte ein steifes, respektvolles Gesicht. Aus
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