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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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von der Frau am Tresen zu nehmen.
    »Ist ja nicht zu fassen.« Die Bedienung, ein Tablett mit einem Kännchen Kaffee und einem Glas Mineralwasser in der Hand, machte einen Bogen um ihn. »Und sind S’ so nett und räumen Ihren Koffer aus’m Weg, ja?«

    And the three men I admire most,
    the Father, Son and the Holy Ghost,
    they caught the last train to the coast
    the day the music died …

    Wieder begann der Refrain. Wieder sang Madonna die alten Verse. Und die Frau am Tresen, das hörte er auf die Entfernung, stieß bei jedem gesungenen Wort einen Seufzer aus. Seufzte im Rhythmus der Zeilen. Und ihre gefalteten Hände hüpften auf und ab. Wie ekstatisch. Die Finger ineinandergekrallt. Das Geräusch der auf der Marmorplatte aufschlagenden Handballen war beinah laut.
    Jetzt wollte Niklas Schilff nicht länger warten.
    Er machte einen Schritt auf sie zu. Ich will jetzt wissen, was mit der los ist. Und dann, neben ihr, hatte er auf einmal Lust, eine Geschichte über sie zu schreiben. Vielleicht für ein Stadtmagazin. Für eine überregionale Illustrierte.
    Sekundenlang kehrte er in die scheinbare Geborgenheit jenes Mannes zurück, der er in Kalifornien gewesen war. Zu dem er sich dort entwickelt zu haben glaubte. Neun Jahre lang. Bis zu jenem Morgen, an dem er in seinem Computer die Mail eines deutschen Chefredakteurs vorfand, seines Freundes und Verbündeten.
    »Ich will Sie nicht stören …«
    Seine Stimme war leise. Und er war sich nicht sicher, ob die Frau ihn gehört hatte. Unverändert atmete sie mit offenem Mund. Schilff fielen ihre weißen Fingerkuppen auf, die sich in die Haut gruben.
    Zuerst schätzte er sie auf Anfang dreißig. Sie hatte kurz geschnittene schwarze Haare, die ausgefranst wirkten. Und ein weiches, kindhaftes Gesicht. Sie trug einen braunen, nicht gerade modisch geschnittenen Mantel über einer grauen Hose. Die ihr zu eng war. Deutlich konnte er ihre breiten Schenkel und ihren Bauch sehen. Sie war dicker, als man auf den ersten Blick meinte. Und Schilff dachte, dein rundes Gesicht sieht aufgequollen aus, bist du krank?
    Er hörte, wie das Lied endete. Und ein neues begann. Er roch das Fett aus der Küche. Und Alkohol.
    Die Frau atmete ihm ins Gesicht. Ihr Mund war weit geöffnet. Sie hatte ungeschminkte Lippen. Und eine spitze Nase mit einem leichten Höcker. Hinter den dunklen Gläsern ihrer Sonnenbrille konnte Schilff ihre Augen nicht erkennen. Nur ein Glitzern unterhalb der Brille. Feuchte Flecken.
    »Ich will Sie nicht stören …«, wiederholte er.
    Obwohl ihm die Bewegung sofort unangebracht erschien, wandte er sich um. Und warf einen Blick auf seinen Koffer, der der Bedienung den Weg versperrte.
    »Excuse me.«
    Er sah wieder die Frau an, die nichts erwiderte.
    Nichts geschah. Er stand da, einen halben Meter von der Frau im braunen Mantel entfernt. Und sie starrte ihn an. Vermutete er. Sie starrten sich beide an. Umringt von Blicken. Dann hob sie die rechte Hand. Aus der Umklammerung befreit, kippte ihre linke Hand zur Seite. Kraftlos. Ungelenk. Die Frau nahm die Sonnenbrille ab.
    Ihre Augen schwammen in Schmerz.

    Am Stachus stiegen die beiden Kommissare aus. Und zwängten sich durch die Menge. Fußgänger eilten ins Tiefgeschoss. Oder kamen die Treppe heraufgehetzt. Und fluchten einer im einsetzenden Regen abfahrenden Straßenbahn hinterher. Drängten sich unter das Vordach um die voll besetzten Bänke. Aßen. Oder rauchten hastig.
    Tabor Süden blickte erst in die eine Richtung der Gleise, dann in die andere. Martin Heuer wartete ab. In diesen Minuten kam keine einzige Bahn. Auf der langgestreckten Station in der Mitte der Sonnenstraße warteten etwa hundert Fahrgäste. Und beschimpften in geübten Worten die Verkehrsbetriebe.
    Tabor Süden hatte sich hingekniet. Zwischen die Gleise. Und er legte das Ohr auf eine Schiene.
    »Spinnt der? Ja spinnt der denn?«
    Die ersten Neugierigen kamen näher. Heuer stand wie unbeteiligt abseits. Und rauchte.
    »Was machen Sie da? Gehen Sie da weg, Sie sind ja völlig krank.«
    Süden hob die Hand. Schloss die Augen. Und rieb mit der Wange über das Metall.
    »Was ist mit dem?«
    »Der spinnt.«
    »Was macht der da?«
    »Hallo, Sie! Die Straßenbahn kommt gleich, weg da.«
    Immer mehr Zuschauer reihten sich entlang des Gleises auf. Und reckten die Hälse.
    Eine Frau mit einem grünen, federgeschmückten Hut drängte sich vor. »Sind S’ doch vernünftig. Ham S’ was getrunken? Kommen S’, ich helf Ihnen.«
    »Welche Tram kommt als

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