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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Butterbreze gegessen«, sagte Niklas Schilff.
    »Natürlich«, sagte die ältere Frau.
    Schon als Kind hatte er die Butterbreze, die ihm seine Mutter in den Schulranzen packte, immer weggeworfen. Schulranzen.
    »Schulranzen«, sagte er. Glitt vom Barhocker. Und sah sich um. Vielstimmige Sauberkeit. Verschwommen. Schulranzen.
    »Achtzehn vierzig«, wiederholte die Bedienung.
    »Schulranzen.« Seine Drehung vollzog sich so überraschend, dass die Bedienung wieder erschrak. Die ältere Frau hob den Kopf in Richtung ihres Mannes. Als erwarte sie von ihm augenblicklich ein polizeiliches Benehmen.
    Schweigend zog Niklas Schilff seinen Geldbeutel aus der Tasche und legte einen Hundertmarkschein auf den Tresen. Gibt es ein Gesetz in dieser Stadt, das Servicepersonal zwingt, Prüfungen in mürrischem Verhalten abzulegen?
    »Sehr freundlich«, sagte Niklas Schilff. Ließ die Münzen liegen. Bückte sich nach seinem Koffer. Und verharrte gebückt.
    Von den Dingen, die ihm etwas bedeuteten, hatte er nur so viele mitnehmen wollen, wie in den Koffer passten. Beim Leerräumen seiner Wohnung stellte er dann fest, dass sein Koffer zu groß dafür war. Zwei dicke Mappen mit Zeitungsartikeln. Ein signiertes Foto von Robert De Niro. Eine Mundharmonika, auf der Jim Morrison gespielt hatte. Ein Lederarmband von einem der Hells Angels. Das rote indianische Messer seiner Ex-Freundin Alice, das sie ihm zum Geburtstag geschenkt hatte. Mehr nicht. Eine Handvoll armseliger Trophäen aus neun Jahren in einer glorreichen Stadt befanden sich zwischen den Klamotten in dem dunkelbraunen, abgeschabten Koffer. Eingewickelt in Deli-Tüten und geklaute Hotelhandtücher.
    In seinem Kopf schoben sich Fragmente bizarrer Panoramen ineinander. Ergaben kein Bild. Keine Stadt. Einen ungeschnittenen Film. Ohne Ton. Mit rasenden Personen. Der Griff des Koffers kam ihm kalt vor. Strömte die Kälte aus seiner zitternden Hand? Ich bin nicht betrunken!
    Mühevoll richtete er sich auf. Formte unhörbare Worte. Die ältere Frau und die Bedienung schüttelten einträchtig den Kopf. Der ältere Mann verschränkte die Hände auf dem Rücken. Stellte sich kerzengerade hin. Ein Wachmann in Zivil, um seiner Frau zu gefallen.
    In der linken den Koffer, hob Niklas Schilff die rechte Hand. Und winkte. Wedelte mit der Hand. Was ihn amüsierte. Die zwei kleinen Räder des Koffers quietschten. Er hörte das Geräusch. Es erinnerte ihn an etwas. An was? Auch das Klacken seiner Absätze auf dem glänzenden Boden erinnerte ihn an etwas. An ein anderes Klacken. Vor langer Zeit, wann? Wo war er jetzt? Wohin wollte er?
    »Zur S-Bahn geht’s da lang«, sagte ein Mann zu ihm. Hatte er ihn nach dem Weg gefragt? Zur S-Bahn. Und dann? Eine Freundin, eine Kollegin, hatte ihm das Hotel ihrer Eltern empfohlen. Nähe Hauptbahnhof. Er könne dort billig wohnen. Sie selbst reiste drei Monate um die Welt. Um Gespräche mit Kindern zu führen. Über … über …
    Das Mädchen vor ihm auf der Rolltreppe aß ein Eis. Es trug einen Mantel und eine Mütze. Und schleckte ohne Pause an der weißen Kugel.
    »Ist das ein Schnee-Eis?«, fragte Niklas Schilff.
    Das Mädchen nickte. Ihr Gesicht war blass. Sie hatte traurige Augen. Niemand war bei ihr.
    »Ich fahr in die Stadt«, sagte Niklas Schilff.
    »Ich nicht«, sagte das Mädchen.
    Sie standen auf dem Bahnsteig. Und der Zug fuhr ein. Das Mädchen traute sich nicht weiterzuessen.
    »Bis später«, sagte Niklas Schilff.
    »Bis später«, sagte das traurige Mädchen. Machte kehrt. Und fuhr auf der Rolltreppe wieder hinauf.
    Schilff stieg ein. Setzte sich. Stellte den Koffer neben sich. Und behielt die Hand am Griff.
    Auf den Lippen spürte er den Geschmack nach Salz und Fett. Er strich mit der Zunge darüber. Er hob die Lider. Und sah eine Frau, die sich ihm gegenüber hingesetzt hatte. Und er erschrak. Diese Frau war seine Mutter! Sie griff in die Plasiktüte auf ihren Knien. Und holte etwas heraus. Eine Butterbreze.
    Plötzlich musste er würgen. Er drückte die Hand fest auf den Mund. Er bekam keine Luft. Er schloss die Augen. Kniff sie zu, so fest er konnte. Irgendwo ertönte eine Stimme. Um ihn tummelten sich Stimmen. Dröhnten in seinem Kopf. Am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten. Er hatte keine Hand frei. So umklammerte er den Griff des Koffers. Und hielt sich den Mund und gleichzeitig mit Daumen und Zeigefinger die Nase zu. Er schnaubte. Und stellte sich verzweifelt den Blick aus seinem Zimmer in der Ezra Street vor. Den Blick

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