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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Neonröhre über der Spüle und die Deckenlampe mit dem blauen Plastikschirm brannten nicht. Von draußen fiel wenig Licht herein. Graues Licht, hatte Süden beim Hereinkommen gedacht.
    »Ich glaube, Sie lügen«, sagte Süden. Er stand auf. Und riss mit der Schulter fast den Kalender ab, den Ariane an die Schrankwand gepinnt hatte.
    Iris sagte nichts.
    Süden las die Eintragungen auf dem Monatskalender. Ariane hatte einen roten Kugelschreiber benutzt.
    Schilff kratzte sich am Kopf. Das Zischeln in seinem Kopf wurde immer stärker. Ich schreib ein Porträt über ihn, Der Unberechenbare , das kann ich jedem Magazin verkaufen.
    »Jeder lügt«, sagte Süden. Bevor einer der beiden etwas erwidern konnte, hatte er die Küche verlassen. Schilff betrachtete ebenfalls den Kalender.
    »Sie hatte einen Termin beim Zahnarzt«, sagte Schilff und klopfte mit dem Finger auf den achten November.
    »Ach ja?«, sagte Iris. Sie beobachtete Schilff, wie er näher hinsah.
    »Und am dreißigsten Oktober war sie beim Blutspenden.«
    Es war ihre Idee gewesen. Und Ariane war sofort einverstanden. Hinterher hatten sie in einem Café über die alten Zeiten gesprochen, als sie gezwungen waren, sich regelmäßig testen zu lassen. Sie aßen noch ein zweites Stück Apfelkuchen und tranken Prosecco gegen den Dreck von damals.
    Ein Klingeln schrillte durch die Wohnung. Jemand läutete Sturm.
    Iris ging in den Flur. An der halb offenen Tür stand Tabor Süden. Und drückte auf die Klingel.
    »Sind Sie nicht ganz dicht?«
    Süden nahm den Daumen von dem abgeschabten Knopf.
    »Was soll das?«, fragte Iris.
    »Warum hat Ihre Freundin den Spiegel abgenommen und verkehrt herum an die Wand gestellt?«
    Hinter Iris tauchte Schilff auf.
    »Ich weiß es nicht, ich weiß nichts, deshalb hab ich Sie ja angerufen. Es ist halb drei«, sagte sie.
    Sie wollte sagen: Bringen Sie mir meine Freundin wieder.
    Sie wollte sagen: Ich hab solche Angst um sie.
    Sie schwieg. Sie knöpfte ihren Mantel zu und steckte den Schlüssel ins Schloss. Und ein eigentümlicher Geruch stieg ihr in die Nase. Eine Mischung aus Aftershave, Leder und Schweiß, die sie zwei Sekunden zu lang in die grünen Augen des Polizisten blicken ließ.
    Er ging zwei Schritte hinter ihr die Treppe hinunter.

    In der Lindwurmstraße gab es ein Lokal, das bis sechs Uhr morgens geöffnet hatte. Hier saßen die beiden Männer. Und je länger ihre Unterhaltung dauerte, desto mehr wurde Süden klar, dass sie sich nichts zu sagen hatten. Der andere bildete sich nur ein, in ihm einen Verbündeten zu haben.
    Aber draußen war der Regen. Und hier war es warm. Und die Geräusche und Stimmen der übrigen Gäste störten Süden nicht.
    »Ich hab über Sie gelesen«, sagte Schilff. »Sie sind der umstrittenste Polizist Deutschlands.«
    »Ganz falsch«, sagte Süden. Es gefiel ihm, dass die Worte so einfach aus seinem Mund kamen. »Ich bin unwichtig, die Zeitungen bauen sich ihre Geschichten zusammen, und die Leute sind dankbar. Was Sie über mich gelesen haben, ist alles falsch, ich bin der nicht, der da steht.«
    »Der sind Sie, ich kenn mich aus.« Schilff schaute zum Tresen. Überlegte, ob er ein anderes Bier bestellen solle. Und verlor die Lust. Er trank weiter aus dem schmalen hohen Glas.
    Sie saßen an einem Tisch am Fenster, gegen das der Regen schlug.
    Iris war, nachdem sie das Haus verlassen hatte, zu ihrem gelben Fiat gelaufen und weggefahren.
    »Wo haben Sie sich verletzt?«, fragte Süden. Fragen zu stellen, deren Beantwortung ihn nicht interessierte, erschien ihm jetzt wie ein erhabener Zeitvertreib.
    »Ich hab getrommelt«, sagte Schilff. Und ließ sein Gegenüber nicht aus den Augen.
    »Spielen Sie in einer Band?«
    »Nein, Sie ja auch nicht. In der Zeitung stand, Sie trommeln und tanzen. Sieht man Ihnen nicht an.«
    »Wie sieht ein Trommler und Tänzer aus?«
    »Keine Ahnung. Ich bin kein richtiger Trommler, ich schlag bloß zu.«
    »Warum?« Die Entspannung ließ schon nach, Süden wollte bald gehen.
    »Notwehr.« Schilff machte eine Pause. Klopfte mit dem Finger an das Glas. »Wenn jemand verschwindet, wie schwer ist es, ihn wiederzufinden?« Er winkte der Bedienung.
    »Die meisten kommen freiwillig zurück«, sagte Süden.
    »Und wenn nicht?«
    »Dann suchen wir sie.«
    »Und manche finden Sie als Leiche wieder.«
    »Ja bitte?«, sagte die Bedienung.
    »Einen doppelten Wodka und ein helles Bier«, sagte Schilff.
    »Schmeckt Ihnen das Weißbier nicht?«
    »Nein.«
    »Wieso denn nicht?«
    Schilff

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