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Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition)

Titel: Süden und die Stimme der Angst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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vorn. Steckte die Hand in die Hosentasche. Spreizte die Beine. Und suchte in den Innentaschen seines Mantels. Die Türkin stand auf und ging weg. Sofort stellte der Dicke sein Bein weiter nach links. Fand sein Feuerzeug.
    »Gestern ist ein Typ gekommen und hat mich verwarnt«, sagte er. Kein Rauch kam aus seinem Mund. Oder der Nase. »Das Rauchen ist verboten. So ein Quatsch. Wir sind hier nicht in Amerika.«
    »Waren Sie mal in Amerika?«, fragte Schilff. Die Wirkung des Alkohols ließ nach, und seine Stimmung verfinsterte sich.
    »Wirklich nicht.«
    »Mögen Sie das Land nicht?«
    »Kann ich nicht sagen. Ich war nie da.«
    Der Mann rauchte. Und machte einen zufriedenen Eindruck.
    Sie schwiegen. Gerade noch hätte Schilff Geld bezahlt, um sich mit jemand unterhalten zu dürfen. Einfach nur sprechen. Die eigene Stimme hören. Ich muss meine Stimme hören, sonst glaub ich, ich bin taub.
    Auf der Straße hatte er sich eingebildet, die Leute redeten absichtlich nicht mit ihm. Einige hatte er nach dem Weg gefragt. Aber sie zuckten nur mit den Achseln. Oder reagierten überhaupt nicht. Und jeder, den er hier auf der Bank angesprochen hatte, schaute ihn an wie einen Kinderschänder, der auf sein Opfer lauerte.
    Aber jetzt war ihm das Sprechen vergangen. Auch das Zuhören. Vor allem das Zuhören. Überall Stimmen. Ich muss was trinken, nein, ich will nichts trinken, was will ich? Was mach ich hier? Ich wollt nicht hierher.
    Er wollte nirgends hin. Nirgendwo. Wieso war er zur U-Bahn hinuntergegangen? Zwei Etagen tief. Wieso hatte er sich auf diese Bank gesetzt? Als warte er auf die Bahn, die ihn nach Hause brachte. Peinlicher Gedanke: nach Hause.
    Sein Zuhause war in einem Koffer, der in einer Pension in der Landwehrstraße stand. Nicht einmal das. Mein Zuhause ist eine Zeit. Und die ist vorbei. Hatte das sein Freund, der Chefredakteur, nicht in seiner letzten E-Mail geschrieben? Die Zeit unserer Zusammenarbeit ist abgelaufen. Genau so hatte es Dr. Max Schilling formuliert. Und das war das Ende. Schneller als ein Wort. Ende.
    Zu der Zeit, als Dr. Schilling das Nachwort für das Buch mit den gesammelten Interviews geschrieben hatte, war kein Ende in Sicht gewesen. Da bewohnten sie beide die Zukunft.
    Die Zeit ist abgelaufen.
    Ich weiß das. Das muss mir niemand sagen. Ich hab das kapiert.
    »Kapiert?«, sagte er laut.
    »Ich hab heut Geburtstag«, sagte der andere.
    Schilff klopfte mit den Fäusten aneinander.
    »Geburtstag«, wiederholte der Dicke.
    »Schön«, sagte Schilff und schaute zum Gleis. Auf der beleuchteten Tafel war die nächste U-Bahn angekündigt.
    »Ich feier nicht, das hat keinen Zweck, kostet bloß Geld, und ich hab keins. Ich fahr durch die Stadt, das ist mein Geburtstagsgeschenk, ich nehm mir Zeit, mal was anderes, ich fahr rum, hab nichts vor, die Zeit vergeht, und ich hab kein Problem damit. Später geh ich was essen und dann leg ich mich ins Bett und schlaf. Morgen muss ich früh raus, halb sieben.«
    Er ließ die Kippe fallen.
    »Hab mir freigenommen heut. Dafür muss ich morgen im Büro einen ausgeben, da komm ich nicht drum rum, die finden das wichtig.«
    Er wuchtete sich in die Höhe.
    »Ich fahr jetzt nach Großhadern raus«, sagte er und klopfte seinen Mantel ab. »Ich hab da mal gelegen, jetzt schau ich mir die Klinik von außen an, das ist ein gutes Gefühl, draußen sein und nicht reinmüssen. Vielleicht geh ich sogar in die Kantine und ess einen Obstkuchen. Die haben eine gute Kantine da im Klinikum. Sind auch gute Ärzte. Aber ich bleib lieber draußen. Wiederschaun.«
    Er hob die Hand. Und entfernte sich.
    Schilff stand ebenfalls auf. Er fühlte sich nüchtern. Unappetitlich nüchtern.
    Es gab auch keine Stimmen mehr.
    Die Wunden an seinen Händen fingen wieder an zu bluten. Das Blut quoll durch die Pflaster.
    Alles in Ordnung. Niemand nimmt Schaden an mir.
    Er machte einen Schritt. Der fiel ihm so leicht, dass er sich darüber wunderte. Noch drei Schritte. Und er war an der Bahnsteigkante. Fühlte den Fahrtwind der herannahenden Bahn. Meerloser Wind, sinnlos. Wir passen zusammen.
    Aus dem Tunnel tauchten Lichter auf. Der Fahrer in der Kabine war deutlich zu sehen. Die Bahn raste näher. Und Schilff sah in die Augen des jungen Mannes am Schaltpult. Nur Sekunden. Und die Zeit war aus.
    Er drehte den Kopf weg.
    Die Bahn hatte angehalten. Und er machte den ersten Schritt zurück. Jemand schimpfte. Boxte ihm in die Seite. Schob ihn an den Rand. Verpasste ihm einen Stoß mit dem Knie.
    Mit

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