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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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Kunstmarkt ihre Protegés entdeckt hatte. Jetzt sammelte Lydia afrikanische Primitive und deutsche Kubisten »für später«. Ihr ehemaliger Mann, mit dem sie in den 60 er Jahren Prol-art vertrieb, meditierte seit der Scheidung in einem Trappistenkloster.
    »Ich nehme rasch ein Bad«, sagte Florence.
    »Laß dir Zeit.«
    »Ich habe dir die Sachen da hingestellt.« Florence deutete im Hinausgehen auf eine Mappe mit Zeichnungen, die an der Wand lehnte.
    Während Florence in der Wanne lag, sah sich Lydia auf dem Sofa die Blätter an.
    »Die gefallen mir gut«, rief sie. »Glaubst du, du kannst Ölbilder auftreiben, die der in der Emigration gemalt hat?«
    Florence seifte sich ein. »Ich denk’ schon. Ich habe letztens eine Liste gemacht, also, das ließe sich mit etwas Mühe machen.«
    »Im Osten muß noch ’ne ganze Menge auf irgendwelchen Speichern schimmeln, habe ich so gehört.«
    »Kann sein, ich weiß nicht.«
    Lydia schrieb etwas in einen kleinen Kalender, trank den Sherry, telefonierte.
    »Ach übrigens, die Vernissage von Wenningstedt übermorgen, hilfst du mir wieder, Gäste und Kunden zu sortieren?« Sie zündete sich eine Menthol-Zigarette an. »Der nervt, das kannst du dir nicht vorstellen. Faselt nur dummes Zeug, und ich muß eine Tüte nach der andern mit ihm rauchen. Die Bilder hängen schon, aber nun will er sie wieder umhängen … das Licht und was weiß ich. Der hat nach Zürich Geld gerochen.«
    Sie lehnte sich im Sofa zurück und betrachtete die Bilder an der Wand gegenüber.
    »Diese Trinkerserie gefällt mir prima, wo hängt denn der Rest?«
    »Keine Ahnung.« Florence trat hinter sie. Sie trug einen schwarzen knielangen Rock, rote Strümpfe, einen schwarzen Pullover, den ein breiter Lackgürtel in der Taille schnürte. Ihre Haltung war zu störrisch, als daß jemals ein Modell aus ihr geworden wäre, auch wenn sie sich ein paar Mal aus Spaß hatte fotografieren lassen. Eine Strähne ihres Haares hatte sich gelöst und fiel in ihr Gesicht. Lydia wandte den Kopf und sah sie lächelnd an. Das Telefon schellte. Florence hockte sich neben sie, und Lydia strich ihr durchs Haar.
    »Hallo, Onkel Pieter. Gut, ja, wie immer, mmh, an Freitag habe ich schon gedacht, ja, ich werde mit Mertens den Termin noch einmal vorbereiten. Ja, wir gehen die Kataloglisten durch … auch die beiden Heckels. Die Galerie?« Sie kniff Lydia ein Auge. »Weißt du, übermorgen ist die Vernissage von Wenningstedt, auch ein Schüler von … ja genau. Ich suche dir was aus, wenn es mir gefällt.«
    Sie zündete sich eine Zigarette an, den Hörer mit der Schulter haltend. »Du kommst doch nächste Woche nach Berlin, Onkel Pieter … zu mir zum Essen? Nein, Mertens wird bestimmt nicht dasein, nein … bis dann … ciao.«
    »Kauft er was?«
    »Aber sicher!«
    »Sag mal, der macht mit seinem Im- und Export ganz gute Geschäfte, was?«
    »Ich denke schon«, wich Florence aus.
    Niemand wußte so genau, wovon sie lebte, ihre Arbeit in der Galerie und das Buch, das sie schrieb, waren nur ein besserer Zeitvertreib. Lacan hatte sie mal erzählt, ihr Vater habe ihr nach seinem Tode etwas hinterlassen. Ihre Wohnung jedenfalls war nicht billig und die Bilder an den Wänden nicht von Karstadt.
    Lydia packte ihre Sachen zusammen und gab Florence einen Kuß auf die Stirn. Als sie sich das blaue Cape überwarf, fragte sie ihre Freundin:
    »Biste eigentlich noch mit dem Dings, dem Dingsda oder wie der heißt, zusammen?«
    Florence nickte zögernd.
    »Und? Alles in Ordnung?« Sie wurde vertraulich. »Maja hat ihn neulich im ›Amazonas‹ gesehen, der war ziemlich blau, hat Unmengen Sekt getrunken.«
    »Soso«, murmelte Florence und strich die Strähne hinters Ohr.
    »Eigentlich sieht er ja ganz gut aus, na ja«, Lydia sah auf die Uhr. »Ich muß zurück, sonst überlegt sich Wenningstedt schon wieder alles anders. Tschüß, meine Liebe, ich seh’ dich übermorgen.«
    Florence schloß die Türe und blies lustlos hellen Rauch an die Decke.
     
    Auf der Windschutzscheibe verband sich der nasse Schnee mit dem Straßendreck zu undurchsichtigen Schlieren. An einer Ampel kurbelte Lacan das Fenster herunter und wischte mit einem Papiertaschentuch ein Guckloch auf die Scheibe. Im Radio lief Kinderprogramm. Mit der Moderatorin war er essen gewesen, und wenn er ihr im Funkhaus begegnete, grüßte er sie immer noch freundlich.
    Auf der anderen Straßenseite wedelte ein Junge mit den Armen und lotste ihn in eine Parklücke, die er freigehalten hatte.

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