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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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sie durch das Meer von Stühlen und Gesichtern, rempelte Leute an und wäre fast mit Darlene Hallstrom zusammengeprallt. Die
    Empfangsdame fing sie auf, lächelnd, ratlos. Hannah schubste sie weg und stürzte zu dem Tisch, an dem John Olsen und seine Freundin ihren Kaffee genossen. Sehr merkwürdig.
    Mitch ließ sie nicht aus den Augen, wie ein Jagdhund, der eine Witterung aufgenommen hatte. Er zerknüllte seine dicke grüne Stoffserviette und warf sie achtlos auf den Tisch.
    »Und, wo ist dann dieser Schlauch?« murmelte Megan. Sie hob den Kopf, als Mitch aufstand.
    »Entschuldigen Sie mich«, er rutschte aus der Nische.
    Hören konnte er nicht, was an John Olsens Tisch gesprochen wurde, dazu war der Lärmpegel im Restaurant zu hoch. Aber er konnte den Ausdruck auf Hannahs Gesicht sehen, die fahrigen Gesten ihrer langen, anmutigen Hände. Er sah, wie schockiert John aussah, der jetzt den Kopf schüttelte. Mitch stieg die Treppe hinunter und schritt auf den Tisch zu. Instinktiv verkrampfte sich sein Magen.
    Hannah war eine der ersten, die er kennengelernt hatte, nachdem er und Jessie nach Deer Lake gezogen waren. Hannah und ihr Mann, Paul Kirkwood und ihr Sohn, wohnten damals auf der anderen Straßenseite.
    Hannah, die damals mit ihrem zweiten Kind schwanger ging, hatte sie am ersten Tag auf dem Weg zur Arbeit besucht und ihnen ein Blech voll Brownies gebracht, als Willkommensgruß in der Nachbarschaft. Sie war eine der tüchtigsten,
    unerschütterlichsten Menschen, die er kannte. Die Notaufnahme des Deer-Lake-Gemeindekrankenhauses führte sie mit
    Geschick, arbeitete freiwillig im Gemeinderat und erledigte nebenbei den Haushalt für Ehemann, Sohn und Töchterchen.
    Alles mit einem hinreißenden Lächeln und liebenswertem 58
    Humor.
    Aber jetzt sah Hannah gar nicht gefasst und gelassen aus, sie stand kurz vor einem hysterischen Anfall.
    »Was soll das heißen, Sie wissen es nicht?« gellte ihre Stimme, und ihre Faust landete auf dem Tisch. Johns Freundin quiekte und sprang vom Stuhl hoch, als sich der Kaffee aus ihrer Tasse über die Umgebung ergoss.
    »Dr. Garrison, beruhigen Sie sich!« flehte John Olsen sie an und erhob sich. Er griff nach Hannahs Arm. Sie riss sich mit blitzenden Augen von ihm los.
    »Beruhigen!« kreischte sie. »Ich werde mich nicht beruhigen!«
    Alle Augen im Restaurant richteten sich auf sie. Die Luft vibrierte vor Spannung.
    »Hannah?« sagte Mitch, der jetzt bei ihr angelangt war. »Ist etwas passiert?«
    Beim Klang seiner Stimme wirbelte sie herum. Der Boden unter ihren Füßen schien zu schwanken. Hitze umschlang sie wie eine unsichtbare Decke, verbrannte ihre Haut, erstickte sie.
    Ist etwas passiert? Die Welt ist eingestürzt. Sie spürte die vielen Blicke, die auf sie gerichtet waren, spürte, wie die Finsternis von den Balken herunterkroch und durch die hohen Bogenfenster hereinsickerte.
    Dies war ein Alptraum, den sie hellwach und wie lebendig begraben miterlebte. Gedanken und Eindrücke huschten durch ihren Kopf, zu viele, zu schnell. O Gott. O Gott. O Gott.
    »Hannah«, Mitch legte behutsam eine Hand auf ihre Schulter.
    Er kam ein bisschen näher. »Meine Liebe, red mit mir. Was ist denn los?«
    Was ist denn los? Etwas in ihr explodierte und sie schrie die Worte heraus. » Ich kann meinen Sohn nicht finden! «
    59
    Kapitel 4
    TAG 1
    20 Uhr 26, -7 Grad
    »Was soll das heißen, du kannst Josh nicht finden?« ragte Mitch ruhig. Hannah saß auf dem Stuhl des Geschäftsführers, sie zitterte am ganzen Körper, Tränen strömten aus ihren großen blauen Augen.
    Mitch kramte ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und reichte es ihr. Sie nahm es automatisch, machte aber keine Anstalten, es zu gebrauchen, zerknüllte es wie Löschpapier zwischen den Fingern.
    »Ich m-meine, ich k-kann ihn nicht finden«, stotterte sie. Josh war verschwunden, und keiner schien zu begreifen, was sie ihnen zu sagen versuchte, als würde sie nur Unsinn reden. »D-Du musst mir helfen. Bitte, Mitch.«
    Sie wollte aufstehen, aber Mitch drückte sie wieder in den Stuhl zurück. »Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, Hannah, aber du musst dich beruhigen …«
    »Beruhigen!« schrie sie und packte die Armlehnen des Stuhls.
    »Ich glaub es einfach nicht!«
    »Hannah!«
    »Mein Gott, du hast doch eine Tochter, du solltest es
    verstehen! Ausgerechnet du …«
    »Hannah!« rief er energisch. Sie zuckte zusammen und
    blinzelte. »Du weißt, dass ich dir helfen werde, aber du musst dich jetzt zusammenreißen und

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