Sünden der Nacht
verschwanden unter dem schwarzen Toupet, das ihm in die Stirn gerutscht war.
Er sah aus wie fünfzig und intolerant, mit hagerem Körper und einem dicken Bierbauch. »Ich dachte, alle Field Agents wären Männer.«
»Das war einmal«, sagte sie mit zuckersüßer Stimme, »bis ich kam.«
»Und was ist das Neueste?« fragte Mitch, er schob sich eine Gabel voll Kartoffeln in den Mund.
Dietz wandte sich mit einiger Mühe von Megan ab und
blätterte in einem Notizbuch, das er aus seiner Hemdtasche fischte. »Zwei Tote, Ethel Koontz war bei Einlieferung im Hennepin Medical County Center tot – massive Verletzungen an Kopf und Brust. Ida Bergen ist im Deer Lake
Gemeindekrankenhaus verschieden – Herzanfall auf dem Weg dorthin, wo sie wegen geringfügiger Verletzungen behandelt werden sollte. Mrs. Marvel Steffens Zustand ist kritisch, aber stabil – auch im HMOC. Clara Weghorn wurde versorgt und 55
entlassen.
Mike Chamberlain – der Junge, der die Kontrolle über den Wagen verloren hat – hat ein paar Beulen und Brüche
abgekriegt, wird aber wieder gesund. Pat Stevens hat seine Aussage aufgenommen, und ich hab mir den Unfallort
angesehen.«
»Und?«
»Und es ist genauso, wie der Junge sagte. Die Straße war trocken, bis kurz hinter der Kurve bei Dave Lexvolds Haus.
Dort zieht sich eine etwa vier Meter lange Eisplatte über beide Spuren der Straße. Ab dann wird’s eigenartig«, vertraute ihm Dietz mit besorgtem Gesicht an. »Ich denke mir, eigentlich gibt’s keinen Grund dafür, dass da Eis sein soll, richtig? Das Wetter war gut. Es war, Gott weiß, nicht warm genug, dass irgendwas schmilzt und den Abhang von Lexvolds Haus
runterläuft. Also hab ich nachgeschaut. Sie wissen doch, dass Dave und Millicent über den Winter in Corpus Christi sind, wie immer, also war keiner zu Hause. Aber so wie’s aussieht, hat jemand einen Gartenschlauch vom Wasserhahn am Haus neben der Garage runtergelegt.«
Mitch ließ seine Gabel fallen und sah dem Streifenpolizisten scharf in die Augen. »Das ist doch verrückt. Sie behaupten, jemand hat Wasser über die Straße laufen lassen und absichtlich diese Eisplatte gebastelt?«
»Sieht so aus. Wahrscheinlich Kinder beim Spielen.«
»Sie haben zwei Leute auf dem Gewissen.«
»Hätte schlimmer sein können«, sagte Dietz. »Heute abend ist irgendso ein Konzert im College. Wie’s aussieht, sind mehr Leute von hinten in den Campus gefahren als von vorne. Wir hätten einen Massenunfall vom Feinsten haben können.«
»Haben Sie die Nachbarn befragt?« sagte Megan.
Dietz sah sie an, als wäre sie ein Lauscher aus der Nische von 56
nebenan, der sich einmischen will. »Es gibt keine in der Nähe.
Außerdem haben die Lexvolds lauter große Kiefern vor ihrem Haus. Man müsste direkt davorstehen, um es zu sehen, wenn jemand da Mist baut.«
»O Mann«, murmelte Mitch angewidert. »Ich lass morgen von Natalie einen Aufruf an die Medien schreiben, in dem wir die Leute, die vielleicht Informationen haben, bitten, uns anzurufen.«
Megan unterbrach ein zweites Mal das Gespräch. »Gab es irgendwelche Anzeichen für einen Einbruch?«
Dietz sah sie grimmig von der Seite an. »Nein. Alles war fest verschlossen.« Er wandte sich wieder dem Chief zu und stand auf. »Wir haben ein Team von der Verkehrsabteilung drüben, die die Eisplatte wegkratzen und Salz streuen. Die Autos haben wir abgeschleppt, eins zu Mike Finke und eins zu Patterson. Das war’s.«
»Gut. Danke, Lonnie.« Mitch beobachtete, wie sein Beamter durch die Tische auf den Ausgang zusteuerte. Das bisschen, was er von seinem Abendessen gegessen hatte, lag ihm wie
Wackersteine im Magen. »Was zum Teufel, denken sich Kinder dabei, die so eine Scheiße bauen?«
Megan betrachtete die Frage als rhetorisch. Ihr Gehirn arbeitete fieberhaft, während sie die Figuren auf Mitchs Krawatte anstarrte, bis sie ihr vor den Augen verschwammen.
Mitchs Blick wanderte zum Eingang des Restaurants, wo
immer noch mehr Menschen aus der geräumigen Halle des alten Lagerhauses, die man in ein kleines Einkaufszentrum
verwandelt hatte, hereinstrebten. Ein halbes Dutzend Leute vom Komitee der Snowdaze Parade warteten auf einen Tisch, sie wollten ihren Kaffee und den obligatorischen Kuchen nach der Probe. Hannah Garrison kam auch und drängte sich an ihnen vorbei. Seltsam.
Sie sah gehetzt aus. Ihr Mantel war offen und hing halb von 57
der Schulter. Ihr blondes Haar zottelte ihr in Strähnen ums Gesicht. Sie sah sich verwirrt um, dann watete
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