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Sündiger Mond

Sündiger Mond

Titel: Sündiger Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Burton
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dir.«

    Steamboat Springs, Colorado
    9. Februar 1922
    Lieber Rémy,
    wie immer habe ich Deinen letzten Brief verschlungen. Ich liebe Deine Beobachtungen und Witzeleien – es freut mich, dass ich Dir »Wichs-Material« zur Verfügung stellen konnte. Was Elic angeht, so könntest Du mit der Macht der Suggestion durchaus recht haben. Eugène hatte mir von Dusii erzählt, und da ich müde war – schließlich war es mitten in der Nacht – und mich sowieso seit meiner Ankunft schon leicht benommen fühlte, bildete ich mir ein, ich sähe, wie eine Frau sich in einen Mann verwandelt. Das klingt wirklich sehr einleuchtend.
    Zu Deinem Brief: Etwas nagt an mir, seitdem ich es zum ersten Mal – und danach noch Dutzende Male – gelesen habe. Es hat etwas zu tun mit unseren Seitensprüngen, seit wir zusammen
sind. Ich finde, es war sehr zuvorkommend von mir, Dir zu schreiben, dass es bei mir niemand anderen gegeben hat. Ich war Dir diese Information keineswegs schuldig, sondern habe sie aus Rücksicht auf Deine Gefühle preisgegeben. Unter dieser Voraussetzung war es sicher nicht zu viel verlangt, Dich ebenfalls darum zu bitten. Dass Du darauf antwortest, Du seist mir weder Treue noch einen Bericht Deiner Untreue schuldig, da wir nicht Mann und Frau seien, kommt mir überraschend kalt – das sieht Dir gar nicht ähnlich, Rémy – und außerdem recht durchsichtig vor.
    Wenn Du glaubst, ich heirate Dich, nur um herauszufinden, ob Du im letzten Jahr fremdgegangen bist, kennst Du mich nicht sehr gut. So wichtig ist es mir nun auch wieder nicht. Ich habe Dir bereits gesagt, dass wir beide erwachsen sind und tun und lassen können, was wir wollen. Mir ist es gleichgültig, ob Du mit anderen schläfst. Das ist nicht der Grund, warum ich das aufgebracht habe. Aber es macht mir etwas aus, wenn Du auf meine Offenheit und Aufrichtigkeit so berechnend reagierst und versuchst, mich zu bestrafen, wo ich doch nur wollte, dass Du mit mir genauso rücksichtsvoll umgehst wie ich mit Dir, und zwar aus Liebe und nicht, weil Du Dich dazu verpflichtet fühlst.
    Das wollte ich mir nur von der Seele schreiben. Und Du brauchst Dir keine Gedanken zu machen, ich grübele nicht weiter darüber, nein, ganz bestimmt nicht. Es spielt keine Rolle. Es ist nicht wichtig. Wenn Du es mir nicht sagen willst, sag es mir einfach nicht.
    Also, weiter mit Emilys Abenteuern.
    Als wir unsere tapfere Heldin das letzte Mal gesehen haben, hat sie eine Marathon-Vögelei zwischen Elic und Helen beobachtet. Ich weiß nicht mehr, wie oft sie es in jener Nacht gemacht haben. In der Mitte des dritten Aktes bin ich in mein Zimmer gegangen, habe mir ein heißes Bad eingelassen und
mir drei oder vier wilde Orgasmen gegönnt, während ich mich an das Gesehene erinnerte.
    Da ich die halbe Nacht auf gewesen war, schlief ich am nächsten Morgen bis zehn Uhr. Ich hätte wahrscheinlich noch länger geschlafen, wenn nicht jemand an meine Tür geklopft hätte. Es war vermutlich Hickley, der sich verabschieden wollte, aber ich war verschlafen und im Nachthemd und hatte wirklich keine Lust, noch einmal mit ihm zu sprechen, bevor ich nicht alles noch einmal durchdacht hatte, deshalb ließ ich ihn nicht herein.
    Ich hatte gehofft, das Wetter würde aufklaren, sodass ich nach Lyon zurückfahren konnte, aber der Regen schlug immer noch gegen die Fenster, und es sah nicht so besonders gut aus. Da ich nicht wieder einschlafen konnte, zog ich mich an, ergriff Mein geheimes Leben und Die Autobiographie eines Flohs – die ich noch nicht einmal angefangen hatte zu lesen – und eilte nach unten, um den Tag in der Bibliothek zu verbringen.
    Die Bibliothek war vorn im Schloss mit Terrassentüren, die auf einen ebenerdigen Balkon hinausführten, von dem aus man die Auffahrt überblickte. Die scheidenden Gäste standen unter schwarzen Regenschirmen neben einer Schlange wartender Kutschen. Ich erkannte Hickley und trat rasch hinter den Samtvorhang, um durch die Lücke zu spähen.
    Er plauderte mit einem Paar, das gemeinsam unter einem Schirm stand, und was er sagte, schien sie gewaltig zu erheitern. An einem Punkt machte er eine kreisförmige Geste um seinen Kopf, als wolle er einen großen Hut andeuten, tat so, als zerrte er an der Krempe, und blickte sich mit großen, verwirrten Kuhaugen um. Seine Freunde brüllten vor Lachen.
    Ich hatte das Gefühl, mir hätte jemand in den Magen geboxt.
    Eine Frau in einem offenherzigen, gelb gestreiften Kleid rannte vom Torhaus unter den Schutz von Hickleys

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