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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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ausgegangen sein, mit Dichtungen befassten sich einzig Handwerker. Auf
der Plane des Kastenwagens eines ortsansässigen Installateurs stand nämlich neben Name und Adresse die Aufschrift: Dichtungen aller Art .
    Annie fragte: »Weshalb hast du mich nicht mal besucht?«
    Ihr Gegenüber tat, als habe sie die Frage nicht gehört, niemand konnte so perfekt weghören wie Fritzi.
    »das können nu wolken besser. sehn die sache locker von ganz oben und finden bessere reimung als die dichter. kommen aber nich zu potte, immer meldet fernsehn, dass die wolken dichter werden , aber nich ne, dass sie nu endlich dichter sind . verstehste?«
    Fritzi hatte noch nie solch lange Sätze hinbekommen.
    »Jetzt sag mal, was waren das für Leute, die du auf die Bäume losgelassen hast?«
    Nun reagierte die 2.0-Expertin heftig, ihre Augen weiteten sich: »ja, hammer, ne! voll huso.«
    »Kanntest du diese Leute alle?«
    Sie wackelte als Antwort so mit ihrem Kopf, dass es weder ein Ja noch ein Nein war, und fragte sich wohl, ob dieses Kirschtrampel
immer noch nicht begriff, was ein Flashmob war, bei dem es ja gerade der Witz war, sich eben nicht zu kennen. Was sollte Fritzi dieser Hinterwäldlerin erläutern, die andauernd offline
war. Besser sagte sie gar nichts.
    Annie bedrängte sie weiter: »Die Kerne, eh. Haste sie aufgesammelt und verkauft?«
    »nö aber!«
    Fritzi zog so gierig an der Zigarette, als habe sie Haschisch mit hineingekrümelt und müsse dementsprechend tief inhalieren, hielt den Qualm in der Lunge und ließ ihn nach einer
Weile langsam wieder raus: »bin inne saftfabrik un habse für mau gekriegt.«
    »Kerne?«
    Fritzi nickte: »million hammer gewaschen und so fertig.«
    »Was fertig?«
    »trocken gemacht. Haste selbs gesagt, weiste noch? meine alte und andere mit nähmaschine bieten das online in viereckig und herz und klein und lang un alles.«
    Zur Bekräftigung ihres Kurzreferates über die Gründung eines Onlinevertriebs von Kirschkernkissen in unterschiedlichen Größen und Stoffen und mit putzigen
Aufnähern, genäht von Hausfrauen der Umgebung mit russlanddeutschem Migrationshintergrund, die Fritzis Mutter kannte, zog sie einen Geldschein aus der Tasche und reichte ihn Annie.
    »simmer quitt?«
    Sie bot ihr geschlagene zehn Euro an.
    »Das Geschäft geht wohl noch nicht so gut?«, fragte diese verblüfft.
    »kein stress ne.«
    Fritzi drückte ihre Kippe in der feuchten Erde aus, lächelte breit und machte sich stöckelnd davon.
    Annie betrachtete erneut all die zerstörten Bäume, so abgerissen, niedergedrückt von der Horde. Hier würde es, das schwor sie sich, wider Erwarten eine
nächste Kirschernte geben. Was sagte Opa immer: »Am Abend werden die Hühner gezählt!«
    Am folgenden Tag kramte sie nach Schulschluss und Mittagessen ihre Winterstiefel hervor. Annie zog sich warm an, fand Opas Arbeitshandschuhe, nahm die Säge und eine Baumschere und
marschierte so den Feldweg hinunter. Ein radikaler Schnitt wäre eine Chance, mehr für sich selbst als für die Bäume. Anders als mit harter Arbeit war ihrer üblen Laune
nicht beizukommen, sie hätte sonst vor lauter Streitlust und Kummer noch irgendwem geschadet, aber zum Glück hatte sie zerstörte Leidensgenossen, die alle nur das eine wollten: ihren
heilenden Schnitt.
    Annie knipste ab, brach und riss heraus, sie sägte Äste ab und zog sie auf die Ackerfläche zwischen den Baumreihen, sie holte verdorrte Zweige aus den Kronen, machte Platz
für Licht und Luft. Verausgabte sich in jeder freien Minute, draußen war es eiskalt, doch die Plackerei wärmte sie. Wenn stürmisches Sägen und Schneiden sie dennoch nicht
beruhigen konnten, schrie und fluchte sie während der Schinderei, brüllte und verwünschte Nette, Opa und einen Menschen, den das Gesetz Vater nannte, trat mit dem Fuß gegen die
Bäume, bis ihre Zehen knackten, weil er nie hergekommen war. Die treuen Stämme hielten sie aus, der Schnee war sanft zu ihr, der Wind blies ihr Frische zu, von Tag zu Tag ging es ihr
besser.
    Nette hatte ihr schwer arbeitendes Kind in den ersten Tagen beobachtet, sie fürchtete zu Recht Einwände vom Jugendamt, ging nun durch die Baumreihen und wollte
einschreiten: »Das ist tapfer von dir. Aber hör auf damit, die Plantage ist hin. Vielleicht kann man mit der Verwüstung was anderes machen.«
    »Was denn?« Es passte ihrer Tochter gar nicht, hier draußen gestört zu werden.
    Nette hob die Schultern: »Ich gucke gerade, was Brüssel so hat für

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