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Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition)

Titel: Süss wie Schattenmorellen / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Schreiber
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hat zur Geburt ein Foto von dir bekommen, mehr wollte er nicht. Aber wenn du willst …«
    »Nennst du Sex eine Betätigung?«
    »Möchtest du ihn kennenlernen?«
    Jetzt war es endlich raus, also gut: »Wie ist er denn so?«
    »Ich habe ihn nur im Dunkeln gesehen.«
    Kein Mensch wollte wissen, was die Eltern taten, wie, wo und wann. Annie schaute ihre Mutter entgeistert an: »Und heute?«
    »Er verkauft irgendwas.«
    »Wo?«
    »In Minden.«
    »Kenn ich nicht.«
    »Muss man auch nicht.«
    »Woher weißt du denn das alles? Hat er sich gemeldet in der Zwischenzeit? Hast du ihn besucht?«
    »Er zahlt ja jeden Monat.«
    Annie spürte diesen Satz wie einen Schlag in die Magengrube. Sie seien pleite, hatte Nette immer behauptet, gemeinsame Urlaube seien nicht drin, kein Fahrrad für sie, kein Taschengeld,
nichts dergleichen.
    »Jeden Monat?«
    Sie war zeitlebens in einer kurzen Hose mit lächerlichem Reißverschluss herumgelaufen, in T-Shirt und Sandalen. Ihre Frisur sah aus wie die von einem Deppen. Paula und Fritzi
besaßen Kleiderschränke mit was drin, sie nicht. Die hatten Kosmetik, um sich schön zu machen, sie nicht. Und diese niederträchtige Verwandte ersten Grades hatte ihr einen
monatlichen Scheck verschwiegen, der für sie war! Annie erinnerte sich, wie eifrig sie all die Jahre geholfen hatte, sogar die Schule vernachlässigt, weil Nette behauptet hatte, sie
fresse ihr die Haare vom Kopf. Sobald sie laufen konnte, hatte ihre Mutter ihr eine Trommel um den Bauch gebunden! Sie hatte zwar ihre Freude an der Plantage gehabt, nun aber vermasselte ihre
Mutter selbst das, es war nämlich nie nötig gewesen! Es wäre Nettes Aufgabe gewesen, für sich selbst zu sorgen, für Annie hatte es immer genug Geld gegeben. Wenn sie nicht
aufhörte, so herzzerreißend unglücklich und bitterböse zu sein, würde sie ihre Mutter doch noch erschlagen, genug geatmet hatte sie ja.
    Leck mich am Arsch, was hat Nette mit dem Geld gemacht? Mit dem Geld für mich. Annie wollte danach fragen, aber ihre Stimme machte nicht mit. Ist es wichtig, dass es einen gibt, der mein
Vater ist?, fragte sie sich. Er zahlte ja bloß, weil das Gesetz es verlangte. Oder tat er es gern? Minden musste einen Bahnhof haben, sie wollte dorthin, nie was gehört von dem Nest.
    »Du hast Opa fast umgebracht mit dem Tiramisu.«
    Nun heulte Nette schon wieder los, konnte bald den Gegenverkehr zwischen ihren Tränen kaum mehr sehen, hielt schließlich am Straßenrand an und schluchzte. Annie drehte den Kopf
weg und schaute in den schönsten Eichenwald der Welt. Nichts war hier in ihrer Gegend los, dafür hatten sie die berühmtesten Bäume des Landes, super.
    Nette ging mit keinem Wort auf ihre Frage ein, stattdessen entschuldigte sie sich, so lange fort gewesen zu sein.
    »Ich wollte das nicht, es tut mir so leid, ich dachte, Opa wär bei dir. Er hätte doch für dich kochen können, oder Nin...« Sie konnte den Namen immer noch nicht
aussprechen, würgte am Rest. »Weißt schon. Aber du armes Kind warst völlig allein, das habe ich nicht ahnen können.«
    Sie startete den Motor und fuhr weiter.
    Annie nutzte die Stimmung: »Ich möchte in Zukunft Taschengeld bekommen, die Hälfte von dem, was dieser Mann dir schickt.«
    Ihre Mutter presste die Lippen aufeinander, bis sie blutleer waren, eine Antwort blieb sie ihrer Tochter schuldig.
    Sie fuhren durch den Wald, Schilder warnten vor Wildwechsel, an zwei Stellen standen Kreuze am Straßenrand mit Plastikblumen davor.
    »Wie ging es bei dir damals? Die Geburt? Erzähl mir alles, ich weiß jetzt Bescheid. Wer hat die Nabelschnur durchtrennt, die uns verbunden hat?«, nahm Annie das
Gespräch wieder auf.
    Nette hielt ihr Lenkrad fest und war froh, auf die Straße achten zu müssen: »Ich war im Krankenhaus, Kaiserschnitt.«
    »War er dabei?«
    Sie schüttelte den Kopf: »Wieso?«
    »Und ich?«
    »Na klar warst du dabei.«
    »Ich meine, hast du gestaunt? Hast du meinen Blick gesehen, war der nicht unglaublich? Hab ich auch so wunderbar geschaut?«
    »Ich … war ja betäubt und danach sehr müde, ich weiß das alles nicht mehr.«
    Annie stockte der Atem. Welche Mutter konnte denn ihre einzige Geburt vergessen? Und vor allem ihr Kind nicht in Augenschein nehmen?
    In mutlosem Tonfall fragte sie nun: »Hast du mich gestillt?«
    »Nein, das ging irgendwie nicht.«
    »Hab ich gut verdaut, gerülpst, gelacht?«
    »Was willst du von mir? Ich weiß das alles nicht mehr.«
    Annie fühlte sich, als würde ihre Haut

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