Süße Rache: Roman (German Edition)
und stellte sich ans Fenster, obwohl der Blick nur auf eine schmale Gasse und auf die Rückwand des nächsten Hauses ging. Schweigend zog sie sich an. Sie konnte ihm unmöglich Trost spenden, ohne ihn dabei anzulügen, und genau darin lag die Ironie – dass sie, eine Weltklasselügnerin, es nicht fertigbrachte, sein Vertrauen zu enttäuschen. Sie hatte ihm alles versprochen, was sie versprechen konnte; darüber hinaus konnte sie nur das Beste hoffen.
Sie gingen zu dem Restaurant und aßen schweigend. Es war kein mürrisches Schweigen, auch kein verärgertes, es war eher so, als hätten beide alles gesagt, was es zu sagen gab, und hätten mit jeder weiteren Bemerkung nur tauben Ohren gepredigt. Gleichzeitig war ihr auch nicht nach Small Talk, außerdem war er nicht der Typ für Small Talk; genauso wenig wollte sie Pläne für eine Zukunft schmieden, die ihnen möglicherweise gar nicht vergönnt war, und damit blieb kaum noch etwas zu sagen.
Dennoch nahm er auf dem Rückweg zum Holiday Inn ihre Hand und setzte sich in Unterwäsche mit ihr aufs Bett, wo sie, gegen die aufgeschüttelten Kissen gelehnt, fernsahen. Mitten in einer Sendung schlief sie ein, den Kopf auf seinen Bauch gebettet.
Am nächsten Morgen rief sie Agent Cotton an und verlangte, sich an einem anderen Ort als dem Federal Building mit ihm zu treffen. Simons Warnung, dass das FBI-Gebäude überwacht werden könnte, machte Andie nervös, so wie es sie nervös machte, wenn sie beim Einkaufen bemerkte, dass der Kaufhausdetektiv sie ins Auge gefasst hatte. Sie wusste, dass sie nichts angestellt hatte, aber es war ihr trotzdem unangenehm, beobachtet zu werden; es löste eine Art primitiven Alarm aus.
Viel mehr machte ihr die Möglichkeit zu schaffen, dass Rafael einen Informanten ins FBI eingeschleust hatte und bereits Wind davon bekommen hatte, dass eine Frau mit den Agenten gesprochen hatte, die behauptete, seine Exgeliebte zu sein. Damit hätte er Zeit zum Nachdenken und Planen, und sie würde dadurch um den Überraschungseffekt bei einem Wiedersehen gebracht. Falls sie sich schon opfern musste, dann verdammt noch mal wenigstens nicht umsonst.
»Wie wäre es mit dem Madison Square Park?«, schlug Cotton vor. »Ich bin sowieso in der Gegend, und das wäre ein netter Ort zum Reden. Ich warte um dreizehn Uhr am Conkling-Denkmal auf Sie.«
Simon ging um zehn, wobei er lediglich erklärte, dass er seinen Koffer holen gehe und zurückkommen würde. Sie wusste nicht, wohin er wollte, aber sie wartete bis kurz nach zwölf, bevor sie aufbrach, und bis dahin war er nicht wieder aufgetaucht. Sie schrieb ihm eine Nachricht und legte sie auf den Nachttisch. Er hatte keine Keycard, aber
da ihn das auch beim ersten Mal nicht aufgehalten hatte, machte sie sich keine Gedanken, dass er womöglich im Flur auf sie warten musste, wenn er zurückkam.
Es war wärmer als tags zuvor, doch der Wind trieb fette weiße Wolken über den Himmel, deshalb war sie froh, ihren Mantel zu tragen. Sie stopfte die Hände in die Taschen, marschierte mit den ausgreifenden Schritten der erfahrenen Stadtbewohnerin los und kam prompt ein paar Minuten zu früh am Park an. Sie schlenderte zur Südostecke weiter, wo die Statue von Roscoe Conkling errichtet worden war. Sie konnte sich nicht entsinnen, dass der Senator etwas Weltbewegendes vollbracht hatte, außer im Blizzard von 1888 zu erfrieren, offenbar reichte das für ein Denkmal.
Agent Cotton und Agent Jackson warteten schon auf sie, auch sie hatten ihre Mäntel gegen den Wind zugeknöpft. »Hoffentlich mögen Sie Kaffee«, sagte Cotton und streckte ihr einen Pappbecher hin. »Ich habe auch Milch und Zucker dabei, falls sie möchten.«
»Schwarz ist wunderbar, vielen Dank.« Der Becher lag angenehm warm in ihren Händen; sie nahm vorsichtig einen Schluck, um sich den Mund nicht zu verbrühen.
»Setzen wir uns dort drüben hin.« Cotton deutete auf eine nahe Bank. Sie gingen hin, und Andie setzte sich zwischen die beiden Männer, gleichzeitig hoffend und fürchtend, dass die beiden einen Plan ausgeheckt haben könnten.
»Ist Ihnen noch etwas eingefallen, das Sie uns erzählen können?«, fragte Cotton, wobei sein Blick ständig die Umgebung abtastete. Die Augen eines Polizisten, auch wenn er beim FBI war, kamen nie zur Ruhe.
»Nein, aber ich wollte mit Ihnen über das sprechen, was ich vorgeschlagen hatte -«
»Spar dir die Mühe«, unterbrach sie eine Stimme in ihrem Rücken. »Dazu wird es nicht kommen.«
Beide FBI-Agenten
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