Süße Rache: Roman (German Edition)
tatsächlich mit ihm hier? Ihr Körper hatte ihn voller Glück aufgenommen, aber ihr Geist hatte diese Kehrtwende noch nicht verarbeitet. Der Mann, vor dem sie so viele Monate lang in Todesangst geflohen war, war jetzt ihr Geliebter. Nicht nur ihr Geliebter, sondern die Liebe ihres Lebens. Denn sie liebte ihn, so wenig ratsam das auch war. Sie hatten nicht den Luxus, sich schon jahrelang zu kennen, miteinander ausgegangen
zu sein und alle Einzel- und Besonderheiten in der Persönlichkeit und den Vorlieben des anderen ausgeforscht zu haben. Stattdessen war bei jeder ihrer Begegnungen der Kontakt unglaublich intensiv und mit Gefühlen beladen, mit denen keiner von beiden umzugehen wusste. Sie war im Geschäft des Liebens ebenso ein Neuling wie er, darum war all das nicht leicht zu verarbeiten.
Vor allem anderen fühlte sie sich beschwipst. Nein, betrunken. Betrunken vor Glück, vor Sex, vor Erleichterung, Freude und Schmerz zugleich. Wenn er sie berührte, fühlte sie sich bewundert – sie, Andrea Butts alias Drea Rousseau -, die nie zuvor wirklich bewundert worden war, die nie geliebt worden war, die nie jemand so angenommen hatte, wie sie war. Die Erkenntnis, dass er sie wirklich annahm, dass er ihre Lust, ihre Behaglichkeit, ihr Wohlergehen steigern wollte, war fast zu viel für sie.
Genauso verstörte sie die Tiefe und Kraft, mit der sie ihn liebte. Sie hätte alles getan, um ihn zu schützen, um für ihn zu sorgen und ihm alle Steine aus dem Weg zu räumen. Wenn sie schon so stark für ihn empfand, konnte sie sich nur vage ausmalen, wie stark dieses Gefühl sein musste, wenn es von einem Mann ausging, der mit zweitem Vornamen »Laserblick« heißen sollte und der die sicheren Instinkte eines Raubtieres besaß. Wie würde er reagieren, wenn er erfuhr, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzen wollte? Nicht besonders erbaut, fürchtete sie. Das wäre kein Mann, nicht einmal ein ganz normaler Durchschnittskerl, und er war in keiner Hinsicht durchschnittlich.
Sie musste ihm erklären, warum sie hier war. Sie würde ihn nicht täuschen. Das hatte diese neue, wunderbare Vertrautheit zwischen ihnen nicht verdient, aber sie brauchte noch Zeit. Wenn er jetzt anfangen würde, Fragen zu stellen, musste er ihre Fragen zuerst beantworten, denn sie
befürchtete, dass er sie ablenken würde, sobald seine Fragen beantwortet waren.
Sie legte den Kopf an seiner Schulter in den Nacken, sah in sein Gesicht auf und analysierte die Alternativen. »Selbst wenn du einen Peilsender an meinem Explorer angebracht hast, hättest du mich nur bis zum Flughafen verfolgen können«, überlegte sie laut. »Du könntest nicht wissen, mit welcher Fluglinie oder mit welchem Flug ich wohin geflogen bin. Ich nehme an, wenn du ein begabter Hacker bist -«
»Bin ich«, warf er ein, ohne damit angeben oder aufschneiden zu wollen. Es war eine schlichte Feststellung.
»Dann könntest du es irgendwann herausfinden, aber das würde dich Zeit kosten, wenn du nicht durch puren Dusel gleich in einer der ersten Datenbanken auf meinen Namen stoßen würdest. Aber damit wüsstest du nur, dass ich nach New York geflogen bin, und müsstest immer noch herausfinden, wo ich abgestiegen bin. Wenn man bedenkt, wie viele Hotels und Motels es in dieser Gegend gibt und dass du nicht wissen kannst, unter welchem Namen ich eingecheckt habe, wäre es praktisch unmöglich, mich allein über den Computer so schnell aufzuspüren.«
Er sagte nichts, sondern beobachtete sie interessiert, während er verfolgte, wie sie die Situation analysierte.
»Du hast mich verwanzt«, stellte sie fest. »Es gibt keine andere Erklärung. Nicht den Explorer, sondern mich.«
»An dem Explorer habe ich auch einen Sender angebracht«, gab er ohne jede Scham zu.
»Wo ist er?«
»Denk nach.« Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Du wirst bestimmt selbst darauf kommen.«
»Er muss an etwas sein, das ich immer bei mir habe. Wie meine Handtasche, nur dass Frauen ständig ihre
Handtaschen wechseln. Etwas in meiner Handtasche. Scheiße – es ist mein Handy.«
»GPS -Ortung ist etwas Wunderbares. Ich kann dich auf einen Umkreis von wenigen Metern orten und über meinen Computer sogar die Adresse ermitteln, an der du dich aufhältst. Was wolltest du zum Beispiel im FBI-Gebäude?«
»Mit dem FBI sprechen. Schlauberger.« Sie verdrehte bei dem »Schlauberger« zusätzlich die Augen, nur um ihn zu foppen. Sie vermutete, dass er viel zu selten gefoppt worden war und dringend ein bisschen
Weitere Kostenlose Bücher