Süße Träume: und andere paranormale erotische Stories (German Edition)
ausgebleicht. Sie wirkten genauso verfallen wie der Rest des Piers und unbewohnt. Die Fenster waren salzverkrustet, und die Dächer bogen sich unter der Last der Jahre. Die Tür des ersten Hauses sah aus, als wäre sie mit dem Rahmen verschmolzen, und die Türklinke war festgerostet. Aber die Hausnummer war noch erkennbar: 76.
Langsam ging er an dem nächsten Haus vorbei. Ihm war klar, dass er darauf achten musste, wo er hintrat, und er hatte den deutlichen Eindruck, dass das ganze Bauwerk unter ihm im Wind schwankte. Als er das letzte Haus erreichte, verspürte er eine Mischung aus Jubel und Panik. Nummer 78 wirkte besser erhalten als die anderen; die Tür sah aus, als sei sie in letzter Zeit geöffnet worden. Er schaute nach oben und meinte, am Fenster eine Bewegung wahrzunehmen; aber die Lichtreflexe auf dem Wasser verunsicherten ihn.
Er sah in die Runde und rechnete halb damit, Wachhunde der angepriesenen Sicherheitsfirma herbeirennen zu sehen. Doch da war nichts, nur das ferne Heulen des Windes, die Brandung und das Knarren der Holzbretter unter seinen Füßen. Er klopfte an die Tür und wartete auf eine Reaktion. Immer noch nichts, und er trat zurück, um einen Blick nach oben zu werfen. Dieses Mal war er sich sicher, über sich eine Bewegung wahrzunehmen, und er klopfte noch einmal, energischer jetzt. Zu seinem Erstaunen öffnete sich die Tür knarrend.
Vorsichtig trat er ein und prüfte mit dem Fuß den Boden, denn er fürchtete, auf ein verfaultes Brett zu treten und auf den Strand unter ihm zu stürzen. Oder, schlimmer noch, er könnte auf den von schleimigem Tang überzogenen Felsen enden. Als Erstes fiel ihm auf, dass der Salzgeruch des Meeres hier weniger intensiv war. Er trug nur eine Note zu der modrigen Luft bei und wurde von etwas anderem überdeckt; einem unverkennbaren Parfümduft. Als sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnten, erkannte er vor sich eine Treppe und einen Flur, der daneben ins Dunkel führte.
»Hallo?«, rief er und verfluchte sich im Stillen als Narren. Hier würde er nichts finden. Wenigstens hatte er bei niemandem mit seinen Plänen angegeben. Aber er errötete, als ihm aufging, dass sein Kontaktmann in Los Angeles ihn wahrscheinlich über den Tisch gezogen, hierher gelockt und sich auch noch eines seiner kostbarsten Besitztümer unter den Nagel gerissen hatte. Bald würde sich seine Demütigung über das ganze Internet verbreiten und ihn in der Community, die ihm so sehr am Herzen lag, zur Lachnummer machen. Mit glühenden Wangen wandte er sich ab und wollte das Haus schon verlassen, als er eine Antwort bekam.
»Hallo?« Es war die Stimme, mit der er gesprochen hatte, nur dass sie in Wirklichkeit tiefer und wärmer klang. Er hielt inne. Damit hatte er nicht gerechnet. »Sind Sie das, Steven?«
Sein Herz pochte heftig, und er musste innehalten, bevor er antwortete. »Ja«, krächzte er dann.
Die Stimme drang die Treppe vor ihm herunter. »Kommen Sie nach oben, ich bin im ersten Stock.«
Noch vor Sekunden war er vor Zorn rot angelaufen; doch er wusste, dass er jetzt blass war. Ihm war übel. Doch dazu war er ja hergekommen, und als er jetzt auf die Treppe zutrat und die feine Sandschicht, die auf dem Holzboden lag, unter seinen Schuhen knirschte, kehrte ein Teil seiner vorherigen Aufregung zurück.
Langsam stieg er die Treppe hinauf, tastete automatisch nach der Kamera in seiner Umhängetasche und betrachtete seine Fußabdrücke in dem dicken Staub, der die Stufen überzog. Hier war lange niemand mehr entlanggegangen, so viel war klar. Vielleicht hatte das Haus ja noch einen zweiten Eingang? Nein, wahrscheinlicher war, dass Lisette sich von einer langen Krankheit erholte. Sie war alt. Möglich, dass sie nicht mehr gut zu Fuß war und eine Hilfe hatte; jemanden, der ihre Einkäufe erledigte, ihr Gesellschaft leistete und Geschichten erzählte.
Das Herz klopfte ihm bis zum Hals, als er vor der Tür am oberen Ende der Treppe stand und klopfte. Seine Hand kam ihm bleischwer vor.
»Kommen Sie herein, es ist offen«, rief die Stimme.
Steve schob die Tür auf und trat ein. Augenblicklich verflogen seine dunklen Vorahnungen, als er sich in einer wahren Schatzkammer voller Requisiten aus der Pin-up-Ära wiederfand. Nackte Glühbirnen, die mehrere Spiegel umrahmten, tauchten den Raum in grelles Licht, und nachdem er aus dem Halbdunkel gekommen war, stand er blinzelnd im Eingang. Sein Blick glitt über die gerahmten Fotos an der Wand, die fast alle Lisette selbst zeigten, und
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