Summer Westin: Todesruf (German Edition)
Lächelnd nahm Nicole sie bei der Hand und zog sie vorsichtig in Richtung der Stufen am Rand der Bühne, als würde sie einer hysterischen Prominenten gut zureden. »Morgen ist der große Tag, Summer. Wir haben alles unter Kontrolle. Wenn es hier Sprengstoff gibt, finden wir ihn heute Abend.«
Das konnte Sam nur hoffen. Sie hatte sich dermaßen erschrocken, dass sie zitterte wie ein Chihuahua, der an Unterkühlung leidet.
»Reißen Sie sich zusammen«, sagte Nicole auf dem Parkplatz leise. »Und kein Wort zu niemandem.« Dann rief sie lauter: »Bis morgen.« Sie winkte ihr noch fröhlich zu und ging zurück ins Gebäude.
Sam blieb im Auto fünf Minuten lang sitzen und machte Atemübungen, ehe sie sich ruhig genug fühlte, um die 85 Meilen nach Hause zu fahren.
Fünf Stunden später saß sie in der dunklen Küche am Tisch, hörte sich auf dem Walkman eine Kassette mit entspannender Panflötenmusik an und nippte an ihrem dritten Glas Wein, als endlich Chase anrief. »Du hattest recht – das Podium war vollgestopft mit C4 und einem hübschen kleinen Zündmechanismus.«
»Habt ihr alles überprüft? Auch die Sitze?«
»Selbstverständlich. Aber nur dein Podest war präpariert. Der genaue Ablauf der Konferenz wurde schon vor einigen Wochen veröffentlicht. Die wissen also, in welchem Saal du deinen Vortrag hältst.«
»Na, jetzt geht es mir schon sehr viel besser.«
»Dir kann nichts mehr passieren.«
Stimmte das wirklich? »Irgendein Zeichen von Jack Winner oder Philip King?«
»Nein. Bevor wir alles durchsucht haben, haben wir uns vergewissert, dass niemand mehr in dem Gebäude war. Winners Firma hat vor zwei Tagen die ganze Elektronik am Podest installiert. Das war Teil des Vertrags mit Winners Schreinerei. Sie selbst oder ein paar ihrer Komplizen werden morgen wahrscheinlich auftauchen.«
Wahrscheinlich? Ein paar ihrer Komplizen? Seine vage Ausdrucksweise verstärkte ihre Angst nur.
»Summer, hör zu. Das ist jetzt wichtig.«
Kam etwa noch mehr? Sie trank einen Schluck Wein.
»Trinkst du?«
Sie schluckte. »Wie kommst du denn auf die Idee?«
Er seufzte vernehmlich. »Bist du wenigstens so nüchtern, dass du morgen noch weißt, was ich dir jetzt sage?«
»Ich bin viel zu nüchtern, das kannst du mir glauben.« Sie knallte das Weinglas auf den Tisch. Ein Tropfen spritzte über den Rand, und sie wischte ihn mit einem Finger weg.
»Der Sprengstoff ist entsorgt. Wir haben den Zünder durch einen Empfänger im Podest ersetzt, der mit einem kleinen roten Licht verbunden ist – du siehst es am Rand des Pults. Wenn der Empfänger das Signal erhält, die Bombe zu zünden, blinkt das Licht auf. Dann hebst du die rechte Hand und fährst dir damit durchs Haar.«
»Aber du weißt, wer der Täter ist, Chase, oder?« Nur für den Fall, dass der Kerl einen Plan B hat, zum Beispiel eine Pistole in der Tasche.
»Wir brauchen noch Beweise. Wenn du das rote Licht blinken siehst, hebst du die rechte Hand und fährst dir damit durchs Haar. Hast du das verstanden?«
»Verstanden«, knurrte sie zurück.
»Und die Kevlar-Weste trägst du trotzdem. Komm eine halbe Stunde vor deinem Auftritt zu Eingang F. Eine FBI-Agentin nimmt dich in Empfang und hilft dir mit der Weste.«
Im Moment war er nicht ihr Liebhaber, sondern ein FBI-Agent. Es fiel ihr schwer, sich daran zu erinnern, wie sicher sie sich in seinen Armen gefühlt hatte. »Und wo bist du?«
»Hier und da. Diese Leute haben uns vielleicht schon zusammen gesehen. Wir sollten uns nicht verraten.«
Er hatte recht. Winner, King, verschiedene Komplizen – wer auch immer das sein mochte – könnten sie mit ihm in den Wäldern gesehen haben, in ihrem Pick-up, auf dem Feuerturm oder in Macks Wohnung. Wenn man sie jetzt wieder zusammen sähe, könnte das alles vermasseln. Und ihn ebenfalls zur Zielscheibe werden lassen. »Scheiße.«
»Alles in Ordnung, querida ?«
»Wenn du mich in den Arm nehmen könntest, wäre das nicht zu verachten.« Sie setzte das Glas an die Lippen und ließ den letzten Schluck Wein im Mund kreisen.
»Das muss bis morgen Abend warten. Schlaf gut, Summer. Te quiero .«
Sie musste erst schlucken, und bis sie die Worte »Ich dich auch« herausbrachte, hatte er bereits aufgelegt.
Blake tauchte in Schlafanzughose und T-Shirt neben dem Kühlschrank auf. »Du willst in den Arm genommen werden? Oder habe ich mich da verhört?« Er breitete die Arme aus.
»Ja, unbedingt.« Sie fiel ihrem Mitbewohner um den Hals.
»Steigere dich nicht zu sehr rein,
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