1483 - Der Hollywood-Vampir
Er war nicht vergessen, und an diesem Tag erst recht nicht. Die große Party fand im Freien statt. Viele waren erschienen, auch Nachahmer, die seine Klasse nicht hatten. Diaz erlebte ein Revival, eine Auferstehung. Seine alten Filme waren überholt worden und liefen nun im neuen Gewand in den Kinos.
Niemand hatte den Vampir so toll gespielt wie er. So hatte man ihm den Spitznamen Hollywood-Vampir gegeben, und der hatte sich bis heute bei Insidern gehalten.
Heute wurde gefeiert. Heute war der Name in aller Munde, und der Garten war voll von Menschen. Dazu gehörte die alte Villa, die sich Diaz hatte bauen lassen. Passend für ihn. Nach außen hin ein düsteres Gebäude, das so gar nicht zu den anderen Bauten der Promis passen wollte. Und auch innen sah es nicht anders aus, aber dort hielt sich jetzt niemand auf. Alle wollten nichts von der Feier versäumen, die mit einer großen Überraschung enden sollte, das hatte jemand versprochen.
Keiner der Gäste wusste, wer dieses Versprechen gegeben hatte, das pünktlich um Mitternacht eingelöst werden sollte. In Hollywood war man einiges gewöhnt, aber so etwas war neu, und so fieberte jeder Gast der Tageswende entgegen.
Niemand ging. Keiner wollte etwas verpassen. Die Neugierde war einfach zu groß.
In den späteren Abendstunden trafen noch mehr Gäste ein. Viele Gesichter waren von den Bildschirmen bekannt, und auch die anwesenden Fotografen bekamen immer mehr Nachschub.
Für Essen und Trinken war gesorgt. Es gab Wein, Champagner und Wasser. Man aß Hummer, Lachs oder spanische Tapas. Man spazierte durch den großen Garten und schaute den Palmwedeln zu, die sich im leichten Wind bewegten. Perfekter konnte es einfach nicht sein. Die Spannung stieg, je weiter die Zeiger der Uhr vorrückten.
Eine der wenigen Gäste, die Armando Diaz noch zu Lebzeiten gekannt hatten, war Kate Rome. Damals blutjung und ein Starlet. Heute eine Frau von über siebzig Jahren. Sie hatte zwei Filme mit ihm gedreht und war immer das Opfer des gierigen, aber auch eleganten Blutsaugers gewesen.
Man kannte Kate Rome, und deshalb stand sie im Mittelpunkt. Zu Beginn der Party war sie kaum dazu gekommen, einen Schluck zu trinken oder etwas zu essen. Alle wollten ein Interview mit ihr, und sie musste immer die gleichen Sätze wiederholen.
Längst hatte die Dunkelheit ein samtblaues Tuch über das Land gelegt. Am Himmel funkelten die Sterne wie Diamanten, und es war tatsächlich der Vollmond zu sehen, noch um eine Winzigkeit eingebeult, aber er würde in der nächsten Nacht voll sein.
Vampirwetter…
Kate Rome hatte es bis zu einer kleinen Bar geschafft. Der Mann dahinter lächelte sie an, aber Kate überlegte noch, was sie trinken wollte. Die Flaschen mit Wein und Champagner verschwanden beinahe mit ihren Hälsen im Eis.
»Madam, womit kann ich Ihnen dienen?«
»Ach, ich versuche es mit einem Glas Wein.«
»Gern.«
»Hier, den aus dem Nappa Valley.«
»Da haben Sie eine gute Wahl getroffen, Madam.«
»Danke.«
Sie erhielt das Glas, lächelte dem dunkelhäutigen Keeper zu und zündete sich dann eine Zigarette an. Sie wusste, dass Rauchen verpönt war, aber das machte ihr nichts aus. In ihrem Alter tat sie, was ihr gefiel. Dazu gehörte auch das Rauchen.
Kate bewegte sich auf einen der runden Stehtische zu. Da er abseits stand, konnte sie hier ihren Wein in Ruhe trinken und ein paar Mal durchatmen. Kate war aufgeregt. So gefragt wie heute war sie in den letzten Jahren nie mehr gewesen.
Einige Rollen hatte man ihr noch angeboten. Immer wieder musste sie Großmütter spielen, die nett und brav waren. Mit diesen kleinen Rollen hielt sich Kate finanziell über Wasser und freute sich auch, wenn die Werbung auf sie zukam und sie für ein Produkt verpflichtet wurde, das ältere Menschen kaufen sollten.
An diesem Abend war alles anders gelaufen. Da hatte man sich um sie gekümmert, und sie wünschte sich, die Zeit anhalten zu können. Das wäre ein Traum gewesen. Leider erfüllte er sich nicht.
Man hatte sie wieder entdeckt. Von der Seite her kam jemand auf sie zu. Er trug einen cremefarbenen Smoking, wie ihn auch Diaz in seinen Filmen immer getragen hatte. Auch dieser junge Mann hatte lackschwarzes Haar, das er straff zurückgekämmt hatte. Es war so lang geschnitten, dass es im Nacken eine Welle schlug, die nach außen gebogen war.
Zum Smoking trug er ein schwarzes Hemd. Am Kragen leuchtete eine weiße Fliege, und Kate musste daran denken, dass der echte Diaz so nie herumgelaufen war.
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