Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
Sofort fühlte sich Sam, als hätte man sie den ganzen Tag hinter einem Lastwagen hergezogen.
Die FBI-Beamten setzten sich in eine Nische am Fenster, Perez nahm die Bank neben der Kasse. Dann erblickte er Sam, und sein Gesicht verfinsterte sich.
Was sollte das denn? Sie hatte sich doch sehr kooperativ gegeben, wenn man von der kleinen Randbemerkung über das Buchstabieren von Summer einmal absah. Und eventuell auch von dem Kommentar über Kaffee und Donuts. Na ja, und auch von der Spitze über die Länge des Flussufers.
Sie glitt vom Hocker, fest entschlossen, einen besseren Eindruck zu hinterlassen. Immerhin waren die Jeans und der korallenfarbene Rollkragenpullover sauber, das Haar fiel ihr in glänzenden Wellen auf die Schultern, und sie duftete nach Irish Spring statt nach Eau de Müll. Sogar Ohrringe und Lippenstift trug sie.
Mit festen Schritten näherte sie sich dem Tisch. »Guten Abend, Agent Perez.«
Die Frau im grünen Anzug hob eine perfekt geschwungene Augenbraue.
»Summer Alicia Westin, genannt Sam«, teilte Perez seiner Partnerin mit. »Journalistin«, fügte er hinzu. Die Frau nickte, nun war sie gewarnt und breitete schweigend die Serviette auf ihrem Schoß aus.
»Freischaffende Autorin«, korrigierte Sam. »Spezialgebiet: unberührte Natur.«
Perez führte die gegenseitige Vorstellung mit einer Handbewegung fort. »Special Agent Boudreaux.«
»Gibt es etwas Neues?«, fragte Sam.
»Nichts, über das wir sprechen könnten.« Perez’ Partnerin blickte nicht einmal von der Speisekarte auf.
»Miss?« Neben Sam stand die Frau vom Tresen mit einem Tablett voll dampfender Speisen.
Auf ihrem Zimmer öffnete Sam den kalifornischen Chardonnay, den sie im Laden gegenüber gekauft hatte. Dann setzte sie sich mit dem Tablett auf das Bett und schaltete mit der Fernbedienung den Fernseher an.
»… Pumas strolchen in den Nationalparks herum. Ist auch Ihre Familie in Gefahr? Bleiben Sie dran, nach einer kurzen Werbepause geht es weiter mit einem exklusiven Bericht auf KUTV News 9.«
»Schwachsinn!«, zischte Sam. Sie stellte den Ton leise, behielt den Fernseher aber während der Werbung für Zahnpasta und Mundspülung im Auge.
Als das Gesicht der Reporterin wieder auftauchte, drehte sie den Ton wieder lauter. Unten wurde ein Name eingeblendet, Carolyn Perry hieß die Journalistin der heutigen Top Story. Sam erkannte die Frau wieder, die das Video mit Ferguson gedreht hatte.
»Puma. Panther. Silberlöwe. Berglöwe.« Jede Bezeichnung wurde mit dramatischer Stimme vorgetragen und dazu ein Foto von einer oder mehreren Raubkatzen dieser Spezies gezeigt. Die äußerst unterschiedliche Qualität der Aufnahmen war ein Zeichen dafür, dass man das Material überhastet zusammengestellt hatte. »Die ersten Pioniere fürchteten dieses Tier, sie nannten es Bergraubkatze, ›Catamount‹.«
Auf dem Bildschirm erschien eine Karte. »Der amerikanische Löwe streifte einst durch das gesamte Gebiet der Vereinigten Staaten.«
Durchstreifte einst ganz Amerika, korrigierte Sam im Stillen. Vom kanadischen Neuschottland bis zum argentinischen Patagonien.
»Nachdem Farmer und Großgrundbesitzer sie Anfang des 20. Jahrhunderts beinahe ausgerottet hatten, stehen die Berglöwen nun in vielen Gebieten unter Naturschutz. In Nationalparks und Wäldern steigt ihre Anzahl stetig an. Und genauso nehmen auch die Angriffe durch diese Tiere zu.« Anstelle der Karte erschien jetzt das Foto eines Mannes, der einem fauchenden Puma mit einem hocherhobenen Stock gegenüberstand. Auf Sam wirkte das eher, als würde der Mann den Puma angreifen als umgekehrt.
Dann wurde das Bild durch die Aufnahme eines seriös blickenden Zoowärters ersetzt, der gerade eine Käfigtür schloss. »Ausgewachsene Pumas können bis zu hundert Kilo schwer werden und sechs Meter weit springen. Ihre übliche Beute sind Hirsche, aber auch andere Tiere, wenn sie keine Hirsche finden.«
»Zum Beispiel Hasen, Stachelschweine und Dickhornschafe«, sagte Sam in die kurze Stille hinein; auf dem Bildschirm erschien nun ein Zeitungsartikel.
»Erst vor sieben Monaten hat ein Puma Betsy Lumas angegriffen und getötet, als sie im Rocky Heights Park im Süden Kaliforniens joggte.«
Auf diesen Zwischenfall hatte sich Perez bezogen. Es stand ohne Zweifel fest, dass ein Berglöwe die junge Frau getötet hatte. Allerdings deutete alles darauf hin, dass der Angriff der Verteidigung gedient hatte, denn an der Leiche fanden sich nur der tödliche Biss im Nacken und Krallenspuren
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