Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
fluoreszierenden Zeiger ein Stück vorwärtsbewegten. Sie lag auf dem Bett und fixierte die Uhr, spürte, dass Fred vor dem Fenster auf einem Stuhl zusammengesunken war. »Kannst du was sehen?«, fragte sie.
»Jede Menge schwarze Nacht.«
Das beschrieb genau, was sie sah, wenn sie nach innen oder ebenfalls aus dem Fenster schaute. Jede Menge schwarze Nacht. Sie hatten das Lösegeld wie befohlen abgegeben und waren dann ins Motel zurückgekehrt. Würden sie die fünfzigtausend Dollar ihren Eltern je zurückgeben können? Wenn sie Zack wiederbekamen, war ihr das alles egal. Sie biss sich auf die Lippen. Es war schrecklich, sich zu wünschen, ihr Kind wäre einer Entführung und nicht wilden Tieren zum Opfer gefallen. Die Uhr tickte weiter. Zwei Minuten. Sie rollte sich auf die andere Seite, um nicht mehr auf das Ziffernblatt zu starren.
»Ich fasse es nicht, dass sie das FBI so schnell eingeschaltet haben«, murmelte Fred kaum hörbar.
»Ich bin froh darüber«, sagte Jenny. »Die wissen, wie man so etwas angeht.«
»Du brauchst Ruhe«, sagte Fred leise. »Liebling«, fügte er hinzu, als wäre es ihm erst jetzt eingefallen. »Ich gehe raus und schaue nach, was los ist. Schlaf ein wenig.«
Wie willkommen wäre ihr jetzt so eine Nichtigkeit wie Schlaf. Wenn das Dunkel doch nur käme und alle Bilder auslöschte, die ihr durch den Kopf gingen. Wieder und wieder ging sie den Abend auf dem Campingplatz durch.
Die Schatten, die langsam ins Tal krochen, den Oktobertag verkürzten. Wie sie sich mit dem alten Campingkocher abgemüht hatte. Fred, der Feuerholz sammelte. Zack, der auf dem Felsen spielte. Das Flattern des Papiers mit der schrecklichen Puma-Warnung. Das Sirren der Mücken. Das Krähengekrächze und im Hintergrund das sanfte Murmeln des Flusses.
Dann plötzlich der leere Felsen und der orangefarbene Spielzeuglaster als einziges Zeichen, dass ihr Kleiner dort gewesen war. Sie rannte und rief nach Zack, war allein mit ihrem Schrecken. Warum hatte Fred so lange gebraucht, um zu ihr zu kommen?
Sie drehte den Kopf und weinte ins Kissen. »Zack!«
Das letzte Stück zum Burger House fuhren die FBI-Beamten ohne Scheinwerfer. Nicole ließ den Wagen langsam im Schatten einer großen Eiche etwa einen halben Straßenzug vom Schnellimbiss ausrollen. Dann stellte sie den Motor ab.
Perez holte ein Fernglas aus dem Handschuhfach und suchte die Fassade des Hotels gegenüber ab. Nicole behielt den Abfalleimer vor dem Burger House im Blick. Ungeduldig drehte sie eine Strähne zwischen ihren Fingern. »Siehst du was?«
Das neonfarbene Zeichen für »Zimmer frei« und die gelbe Birne über der Rezeption waren die einzigen Lichter am Wagon Wheel Motel . »Bei der Hälfte der Räume sind die Vorhänge zurückgezogen, auch bei deinem und bei meinem Zimmer«, sagte er. »Mindestens zehn verschiedene Parteien könnten das Burger House im Auge behalten haben. Aber ich sehe niemanden.«
Nicole richtete sich auf. »Mist, ist das da eine Ratte?«
Etwas Rundes flitzte zum Abfalleimer, kletterte das Wellblech hoch und steckte die Nase in die Klappe. »Jau«, bestätigte Perez, als der lange Schwanz im Innern verschwand. »Meinst du, die sucht nach dem Lösegeld?«
Ein zweites haariges Knäuel kroch aus dem Schatten heran. »Da ist noch eine.« Nicole schlug die Hand vor den Mund, als müsse sie würgen.
Perez unterdrückte ein Lächeln. Seine Partnerin zog Tiere vor, die ausgestopft in Museen standen. Er hegte den Verdacht, dass die Westin-Lady von heute Nachmittag ganz Ähnliches über die meisten Menschen sagte. Vor allem über Leute aus Kalifornien.
Er sah sich noch einmal das Hotel an. Der Suzuki der Fischers stand wieder vor ihrem Zimmer; überall war es dunkel. Nur eine große Motte versuchte, am Rezeptionslicht Selbstmord zu begehen.
Mit Latexhandschuhen machte Nicole den Umschlag auf, den sie aus dem Pick-up der Jungs geholt hatten, nahm das Geld heraus und schob den Umschlag vorsichtig in einen großen Plastikbeutel. Sie fächerte die Scheine in ihrem Schoß auf.
»Alles da?«
»Sieht so aus«, sagte sie, nahm einen Packen in die Hand, schnappte nach Luft, griff dann nach einem anderen und teilte ihn in der Mitte. »Die Idioten haben sich nicht an die Sandwich-Taktik gehalten, sondern die ganzen Fünfzigtausend in den Umschlag getan!«
Er zuckte die Achseln. »Eltern tun die eigenartigsten Dinge, wenn es um ihre Kinder geht.«
Nicole packte das Geld in einen anderen Plastikbeutel und zog den Reißverschluss zu. »Das
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