Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
»Die da«, sagte die Unbewaffnete düster, als würde sie eine Grabinschrift vorlesen. »Diese Frau hat meinen Hund erschossen.«
Die Lockenwickler-Matrone schwang die Flinte. »Ich habe geglaubt, unter dem Strauch hätte sich ein Berglöwe an mein kleines Mädchen rangeschlichen.« Sie zeigte auf das weinende Kind. »Sehen Sie, wie durcheinander die Kleine ist.«
»Das Mädchen ist außer sich, weil ihre Mutter einen unschuldigen Labrador vor ihren Augen erschossen hat.«
Das Mädchen barg ihr Gesicht am umfangreichen Busen der Mutter und schluchzte noch lauter.
Mit quietschenden Reifen hielten zwei Nachrichtenwagen vor dem Polizeirevier. Zwei Journalistinnen in weißen Blusen und dunklen Jacketts rannten auf die Tür zu. Der Hilfssheriff sah sich hilfesuchend nach den beiden FBI-Beamten um.
Nicole schloss die Tür zur Eingangshalle und überließ den Mann seinem Schicksal. Perez holte sich etwas zu trinken aus dem Wasserspender. Die gekühlte Flüssigkeit schmeckte köstlich im Vergleich zu der lauwarmen Brühe in Plastikflaschen, die er in den letzten vierundzwanzig Stunden genossen hatte. Die Knie würden ihm noch Tage wehtun, ganz zu schweigen vom Rücken. Wie schaffte es Summer Westin bloß, ihre schwere Ausrüstung dort oben tagein, tagaus umherzuschleppen?
Sie bewegte sich ganz natürlich zwischen Felsen, Kakteen und Kiefern, fühlte sich offensichtlich zwischen Pumas, Hirschen und Adlern zu Hause. Klein und mit silberblondem Haar wirkte sie zart, war aber aus Stahl. Ein paar Kratzer durch Pumakrallen konnten sie nicht aufhalten, sie würde deshalb nicht einmal langsamer laufen.
Vor fünf Stunden hatte er in einer Höhle gekauert und auf einen Totenschädel gestarrt. Vor zweieinhalb Stunden hatte er versucht, das Blut aus der Wunde von Ranger Kent Bergstrom zu stoppen. Meilenweit war er über Felsen und steile Abhänge gerannt, hatte einen unglaublich schweren, betäubten Puma nicht nur einmal, sondern gleich zweimal getragen, und war in einem Hubschrauber aus dem öden Hinterland in eine klimatisierte Stadt geflogen. Was für ein Tag. Und es war noch nicht einmal drei.
Er wischte sich einen Tropfen von der Unterlippe. »Irgendwas Neues aus den Akten oder von der Nachrichtenüberwachung?«
Nicole zuckte die Achseln. »Hunderte von kleinen blonden Jungen werden missbraucht. Die Cops werden uns nie vergeben. Die müssen noch wochenlang Akten durchsehen.«
»So ein Mist!« Allein die logistische Seite bereitete ihm schon Kopfschmerzen. Er hoffte nur, dass sich die örtliche Polizei nicht beim Leiter des FBI beschwerte. »Können wir keine Unterstützung aus Salt Lake City bekommen?«
»Du kennst unsern Häuptling doch. Solange man ihm nicht einen handfesten Beweis für das Gegenteil bietet, nimmt er einfach an, der Junge sei fortgelaufen oder von einem Puma gefressen worden. Das ist besser fürs Budget. Aber dein Skelett wird ihm schon ein paar Dollars aus dem Kreuz leiern. Serienmörder erregen immer Aufmerksamkeit.«
»Was ist mit den staatlichen Wildhütern? Im Augenblick scheint es nicht besonders sinnvoll zu sein, mit der Jagd fortzufahren.« Summer wäre bestimmt sehr froh, wenn er die Jagd abblasen könnte.
»Wann waren politische Entscheidungen jemals sinnvoll?«, fragte Nicole. »Inzwischen haben sich auch das Landwirtschaftsministerium und das Innenministerium eingeschaltet und geschworen, alles zu tun, um die Nationalparks wieder sicher zu machen.« Sie verdrehte die Augen. »Der Häuptling wird sich hüten, etwas zu unternehmen, ehe wir ihm nicht einen Beweis bringen, dass Zack Fischer noch am Leben ist. Ganz egal, wie viele Skelette wir noch ausbuddeln.«
Er seufzte schwer. »Hast du mehr über die drei Kerle von heute morgen herausgefunden?«
»O ja!« Sie ließ den Ohrring los, an dem sie herumgefummelt hatte. »Komm mit.« Sie stieß die Tür zum Vernehmungsraum auf, und er folgte ihr.
Aus ihrer Aktentasche zog sie einen Plastikbeutel mit dem kleinen roten Turnschuh und schwang ihn in der Luft. »Die Forensik hat keine brauchbaren Fingerabdrücke gefunden. Aber das habe ich dir ja schon erzählt, nicht wahr?« Sie steckte den Beutel wieder weg, nahm ein Notizbuch heraus und ließ sich dann auf einen Holzstuhl fallen. »Bis jetzt haben wir auch nichts im Wagen der Jungs gefunden, das von Zack oder seinen Eltern stammen könnte.«
Perez setzte sich ihr gegenüber und kippte den Stuhl auf zwei Beinen nach hinten. Er verschränkte die Arme und sah auf die gelben schalldämmenden
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